village voice : Herbst is back: Sascha Funke und Apparat spielen im gefallenen Laub, ohne den Dancefloor aus den Augen zu verlieren
Die Menschen hinter der Musik
„Rave is back!“, titelt die Monatszeitschrift für elektronische Musik De:Bug in ihrer aktuellen Ausgabe. Hier war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken, denn von Rave im Zusammenhang mit Techno ist derzeit, mal abgesehen von der diesjährigen Street Parade in Zürich, weniger die Rede denn je. Was jedoch back ist, ist der Herbst, der zu Sascha Funkes „Bravo“ und Apparats „Duplex“ passt wie ehemals Neonstäbchen zu Rave-Kids.
Früher einmal ging es im Techno darum, Tracks möglichst von der Identität ihrer Produzenten abzukoppeln, die Stücke sollten in keinster Weise abhängig sein von den Images ihrer Macher. Das ist vorbei. Heute wird Autoren-Techno produziert, und Sascha Funke sowie Apparat legen größten Wert drauf, ihre Musik mit ihren jeweiligen Persönlichkeiten aufzuladen. Wenn man gut aufpasst und genau hinhört, kann man, o ja, die Menschen hinter der Musik kennen lernen.
Bei beiden Platten geht es um Melancholie und Romantik, nicht nur, aber auch. Sascha Funke nennt einen seiner Tracks „2:1 für die Liebe“, seine Form von Techno, der durchaus auf den Dancefloor will, wirkt nie mathematisch, sondern mit all seinen Flächen, sphärischem Geklimper und den emphatischen Gesangsparts vom Bruder seines WG-Mitbewohners, Fritz Kalkbrenner, stets subtil. Nimm mich an der Hand, scheint er zu sagen, wir tanzen durch die Straßen, im Laub, das gerade anfängt von den Bäumen zu fallen.
Apparat, hinter dem ebenfalls ein Sascha steckt, nämlich Sascha Ring, Mitbetreiber des Labels Shitkatapult, versucht Technokonvention zu durchbrechen, wo er nur kann. Das geht schon damit los, dass der Plattentitel mit der Unterzeile „A Music Album Containing 12 Songs“ versehen wurde. 12 Songs also, und nicht Tracks. Die Bezeichnung „Track“ scheint zum Korsett geworden zu sein. Apparat will durchbrechen, zum Song, lieber dieses, lange Zeit von Techno als für verbraucht gehaltene Format mit neuem Inhalt auffüllen, lieber dessen Regelwerk unterminieren, als der eh freieren, für elektronische Musik üblichen, Form des Tracks gerecht zu werden. Und der Apparat löst seine selbst gestellte Aufgabe mit Bravour.
Die Basis seiner Platte lautet Frickelelektronik, so weit, so langweilig. Doch aus dieser Ausgangslage erschließt er sich Songstrukturen, die teilweise an das erinnern, was Radiohead in ihrer experimentellsten Phase versucht hatten. Elektronik und Akustik müssen zur Einheit werden, lautet die Losung. Zu all dem Gerumpel aus der Festplatte wird Gitarre gezupft, ähnlich zerbrechlich gesungen wie Thom Yorke, und sogar Saxofon und Klarinette sind zugelassen. Herausgekommen ist dabei eine Art elektronische Kammermusik, eine intime Angelegenheit, eine Platte, die wie ein Kleinod wirkt, dessen Wert sich nicht jedem erschließt. „Special Music For Special People“, steht deshalb auch richtigerweise auf seiner Rückseite. Man hört daraufhin noch genauer auf diese Musik, so wie man im Falle des Zweifelns an sich gelegentlich zur Selbstvergewisserung in den Spiegel blickt.
ANDREAS HARTMANN
Sascha Funke „Bravo“ BPitch Controll/Zomba. Apparat „Duplex“ Shitkatapult/Kompakt