piwik no script img

village voiceMusic for Feierschweine: Das erste Album von Mitte Karaoke

So viele E überall

Dominik Sprungalla und Feed verbindet eine innige Beziehung mit dem WMF. Sie haben sich hier nach einer langen Nacht an einem langen, dunklen Wintermorgen kennen gelernt; sie absolvierten hier ihre ersten, viel umjubelten Auftritte unter dem Namen Mitte Karaoke; und sie veröffentlichen natürlich auch ihre Tonträger auf dem Label des mittlerweile im Café Moskau residierenden Clubs: Von „Discofibel“, ihrem allerersten Stück, das auf einer WMF-Compilation landete, bis zu ihrem ersten, dieser Tage bei WMF Records erschienenen Longplayer „Aufschlag: Mitte Karaoke“.

Dazu kommt, dass man Mitte Karaoke sehr gut der das WMF geradezu konstituierenden „Kohorte E“ zuordnen kann. Diese Sozialkohorte bezeichnet eine große Gruppe junger Leute, die nachtlebentechnisch im ersten Jahrfünft der Neunziger geprägt wurde und inzwischen selbst die Partylandschaft prägt.

Erkennbar sind sie am E in ihren jeweiligen Pseudonymen – siehe also „Feed“. Siehe Seeed, die früher regelmäßig im WMF vorbeischauten. Siehe Bass Dee, siehe Bleed, die in mehreren WMFs für ihre Drum-’n’-Bass-Reihe „hard:edged“ an den Decks standen. Und Feed selbst kannte man vor der Gründung von Mitte Karaoke bereits durch seine Partyserie „Exponence“. So viele E’s überall! Das kann kein Zufall sein, dass so viele Aktive der Post-Techno-Ära diesen Vokal im Künstlernamen tragen! Dem liegen natürlich immens wichtige Erfahrungen mit der beliebten Partydroge zugrunde: Die „Feierschweine“, wie Mitte Karaoke sich und ihre Freunde in ihrer Thanx-List für „Aufschlag: Mitte Karaoke“ bezeichnen, haben halt so ihre Initiationsriten und machen diese per Namensgebung gern nach außen sichtbar.

Selbstredend passt auch der Sound von Mitte Karaoke blendend zum WMF-Label. So wie das Publikum des Clubs aus finsteren Undergroundies und Kurvenstar-Schickerinas besteht, aus Muskeltechnos und Vorstadtschönheiten, es also an Heterogenität kaum zu schlagen ist, so klingen auch die Tracks auf dem Album völlig unterschiedlich. „Aufschlag: Mitte Karaoke“ definiert Mitte als unabgeschlossenen Prozess, generiert aus Kellerclubs und Kondenstropfen, aus internationalen Technoinstanzen (Tresor) und aus schicken Welten am Rande (Cibo Matto). Auf dem Album sind zu hören: Chicago Pianos, Kraftwerkklingklang, Drum-’n’-Bass-Forschung.

Dazu immer wieder dieser nervös pulsierende Electro, der gerade bei ihren Liveauftritten zunächst schwer irritiert – darf man das überhaupt? –, aber einen dann flugs zur Tanzfläche drängen lässt.

Wer sein Album „Aufschlag: Mitte Karaoke“ nennt, hat natürlich noch einige andere, zum Teil recht öde Tennisanalogien auf Lager. So sieht man auf dem Cover einen in voller Sportmontur gekleideten Sprungalla rücklings auf dem Tennisplatz liegen, und so haben Mitte Karaoke auch einen Track namens „Tiebreak“ im Programm.

Der aber ist großartig geworden. Ein verzerrter Bass hetzt Handclaps und HiHats vor sich her. Hechelnd und begleitet von Synthiestreichern geht die Jagd weiter, und man wünscht sich, sie möchte ewig gehen. Nach so einem Stück ist man sofort wieder besänftigt, da zählt man das mit dem Tennis einfach zu den zahlreichen Gaga-Ideen, die sich auch in anderen Tracks tummeln. „Pandabär“ heißt zum Beispiel ein weiteres Stück, das noch kindischer klingt, als der Titel ahnen lässt: „Pandabär, Pandabär / Ich mag dich doch so sehr / Doch so sehr.“ Gaga ist eben auch eines der Kennzeichen der andauernden Epoche „Kohorte E“.

CHRISTOPH BRAUN

Mitte Karaoke: „Aufschlag: MitteKaraoke“ (WMF Rec./ EFA)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen