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Archiv-Artikel

unterm strich

Schon der Titel schien Programm und wie eine Warnung: „Entmannung“ nannte Christa Reinig ihren 1976 ihren satirischen Roman, der die Diskussion patriarchaler Ideologie wie kein zweiter in die germanistischen Seminare deutscher Universitäten trug und der Frauenbewegung gute Argumente lieferte. Wenig später brachte die Schriftstellerin ihren Gedichtband „Müssiggang ist aller Liebe Anfang“ heraus, Tagebuch einer lesbischen Liebe.

Der Erfolg, den ihr beide Titel im feministisch bewegten Umfeld verschafften, beflügelte die damals schon vierzigjährige Autorin zu weiteren Erzählungen, Romanen, Gedichten. Christa Reinig, die letzte Woche im Alter von 82 Jahren gestorben ist, lebte zuletzt in einem Hospiz in München und sollte anonym bestattet werden. Sie war in armen Verhältnissen, als Tochter einer Putzfrau, aufgewachsen, war im Zweiten Weltkrieg Fabrikarbeiterin. Später stand sie als Blumenbinderin am Berliner Alexanderplatz. Nach dem in Abendkursen nachgeholten Abitur studierte Reinig an der Humboldt-Universität in Ostberlin Kunstgeschichte und Archäologie. Ende der 1940er-Jahre publizierte sie erste Gedichte, die durch humorige Schnoddrigkeit auffielen. In der ehemaligen DDR bekam Christa Reinig früh Probleme, weil sie sich nicht in die Schablone des „sozialistischen Realismus“ pressen lassen wollte. 1964 nutzte die Autorin eine Ausreisegenehmigung für die Entgegennahme des Bremer Literaturpreises dazu, in der Bundesrepublik zu bleiben. Neben ihren eigenen Büchern trat die mit dem Bundesverdienstkreuz Geehrte auch als Übersetzerin von russischen Werken hervor. Noch 2006 hatte die Schriftstellerin ein Buch mit philosophischen Betrachtungen veröffentlicht („Das Gelbe vom Himmel“).