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Archiv-Artikel

unterm strich

Wenn die DDR eine „Fußnote der Geschichte war“, wie Stefan Heym einmal meinte, wie ist dann Hermann Kants Engagement als ihr herausragender Kulturfunktionär zu werten? Als eine Quantité négligeable? Ist der Großschriftsteller, der heute 80 Jahre alt wird, nicht auch Heine-Preis-würdig?

Mit seinen Romanen „Die Aula“, „Das Impressum“ und „Der Aufenthalt“ erzielte er in der DDR Millionenauflagen. Große Anerkennung erhielt er auch für den von Frank Beyer verfilmten Roman „Der Aufenthalt“ von 1977. Er reflektiert die Erfahrungen eines – wie Kant selbst – 18-jährigen in polnische Kriegsgefangenschaft geratenen deutschen Soldaten.

Kaum jemand habe den Apparat, den sich die DDR-Gesellschaft aufgebaut hat, „so kompetent beschrieben wie Kant und auch so ironisch“, würdigte der Aufbau-Verlag seinen Autor zum runden Geburtstag. Und kaum einer hat sich dabei in den Fängen des DDR-Systems auch so verstrickt, könnte man hinzufügen. Kant selbst sah sich als Mephisto, ein „Gustaf Gründgens der DDR-Kultur“, ein „Vorzeigepoet“, das habe ihn nicht gestört.

Nach der Wende lebe er das Leben eines Mannes, „der weiß, dass er seine Sache verloren hat und sie nicht zuletzt auch deshalb verloren hat, weil er Teil dieser Sache war“, wie Kant einmal im Gespräch mit Günter Gaus sagte. Seine Wut über die Zeitläufte versteckt er hinter Sprachakrobatik und Wortklaubereien wie in seinen letzten, meist von der Kritik ziemlich ungnädig aufgenommenen Büchern „Kormoran“ (1994), „Escape“ (1995), „Okarina“ (2002) und „Kino“ (2005). Heftige Schelte musste Kant dann auch für seine 1991 erschienene Autobiografie „Abspann“ einstecken, die Kritiker eine „Sammlung selbst verfasster Persilscheine“ nannten.