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„Die Nation muss jetzt entscheiden“, so hat Christoph Stölzl am Montag einen Kommentar in der Welt über die Berliner Kulturpolitik betitelt. Ohne einen „politischen Befreiungsschlag“, so Stölzl, werde das „Catch-as-catch-can der Schuldzuweisungen“ nicht aufhören. Berlin zumindest, so weit wurde der derzeitige Feuilleton-Leiter der Welt schon mal erhört, ist verschärft dabei zu entscheiden – und zwar, wie es aussieht, durchaus in Stölzls Richtung.

Die Intendanten der Berliner Philharmoniker, der Schaubühne und des Hebbel-Theaters haben sich gerade für ihn als neuen Kultursenator ausgesprochen. Der Nachfolger der zurückgetretenen Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) müsse Durchsetzungskraft im politischen Kräftespiel haben und vor allem in der Kulturszene Vertrauen genießen beziehungsweise in der Lage sein, Vertrauen für eine neu formulierte Berliner Kulturpolitik zurückzugewinnen. Stölzl sei dafür ein geeigneter Kandidat, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Elmar Weingarten von den Berliner Philharmonikern, Jürgen Schitthelm von der Schaubühne und Nele Hertling vom Hebbel-Theater. Alle drei sind auch Mitglieder des Rats für die Künste. Wenn Stölzl Unterstützung gewährt würde, gäbe es die Chance eines Aufbruchs für die Berliner Kulturpolitik, argumentieren sie. Was dann, lässt sich an dieser Stelle noch hinzufügen, aber gerade nicht bedeuten würde, dass die Nation entscheidet. Aber bei der weiß man ja sowieso selten, was sie wirklich will.

Dafür ist der britischen Nation klar, was sie will: keine Harry-Potter-Kinderbücher an ihren Schulen. Oder will sie sie doch? Die Verbannung an einer englischen Grundschule jedenfalls hat bei Buchhändlern Empörung und bei Eltern Verwunderung ausgelöst. Carol Rockwood, Direktorin der Grundschule St. Mary's Island bei Chatham (Kent), hatte die Bücher auf den Index gesetzt, weil sie böse Geister und Magie verharmlosten. Die Harry-Potter-Bücher erweckten zu Unrecht den Eindruck, dass Zauberer und Geister „nett und harmlos“ seien. „Das ist nicht, was die Bibel uns lehrt.“

Der Verband der britischen Buchhändler erklärte umgehend: „Wir sind eindeutig gegen eine Zensur.“ Zwar habe die Schule das Recht zu entscheiden, welche Bücher sie den Kindern in die Hand gebe: „Wir sind aber sehr erstaunt, dass die Direktorin die Harry-Potter-Bücher verboten hat.“ Die Autorin Joanne Rowling sei von den britischen Buchhändlern zur Autorin des Jahres 1999 gekürt worden: „Solch angesehene Bücher zu verbieten kann nur dazu führen, dass die Schule weltfremd aussieht.“ Dazu, ob man das Catch-as-catch-can in der Berliner Kulturpolitik verbieten sollte, äußerte sich der Verband leider nicht.

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