unterm strich :
Gerade vergangenen Samstag war er noch Talkshowgast auf N3, um das zu tun, was Autoren eben so tun: ihre neuen Bücher promoten. Rainer Moritz stellte sein hübsches Schlagerbuch vor. Nun meldet sich der Verleger Rainer Moritz zu Wort. Und was der Leiter des Hamburger Hoffmann-und-Campe-Verlags gestern in der FAZ schrieb, klingt glatt wie eine Kriegserklärung an mal eben die gesamte deutsche Literaturkritik, wir kolportieren im Folgenden die Kernaussagen ganz zwanglos. Moritz schreibt: „Ich kenne Literaturjournalisten, die sich für Kalkulationen, für Marketingabläufe oder Lizenzgeschäfte nicht interessieren, die einem gekränkten Lektor alles und einem Verleger nichts glauben (oder Letzteren bei Recherchen erst gar nicht fragen) und die dennoch nicht müde werden, mit Kennermiene über den ,Verfall` eines Gewerbes zu schwadronieren.“
Und Moritz schreibt auch: „Die larmoyante, kenntnisarme Kritik, die gegenwärtig kursiert, macht es den Buchproduzenten nicht leichter, neue qualitätsvolle Literatur zu entdecken.“ Und Moritz erklärt, was „gute Verleger“ sind, gute Gärtner nämlich, „diejenigen, die mit Weitblick einen Garten anlegen, in dem die dankbaren Nutzpflanzen der Bestsellerlisten so gedeihen, dass auch die heiklen Gewächse Platz finden“.
Hintergrund der Brandschrift sind die Berichterstattungen über den Residenz Verlag, den Rowohlt Berlin Verlag und den Fischer Verlag, die Rainer Moritz entschieden zu antikaufmännisch ausfielen: „In allen drei Fällen waren zunächst unbefriedigende Bilanzen publik geworden, die die Unternehmensleitungen nicht mehr tolerieren wollten, und in allen Fällen erhob sich ein Wehgeschrei, das den Untergang des Morgen- und Abendlandes nahen sah.“ Das hat Rainer Moritz nicht gefallen. Stattdessen macht er klar, was die Branche braucht: „Die Branche braucht unvoreingenommene Berichterstatter, die die Augen vor den wirtschaftlichen Unumgänglichkeiten nicht verschließen und diese nicht nach ästhetischen Maßstäben beurteilen.“
Sieht alles ziemlich nach einer Generalabrechnung aus. Nichts anderes als „Scheinheiligkeit“ wirft Rainer Moritz den Feuilletonisten vor. Die Schlacht, so scheint es, zwischen Kunst und Markt, Geist und Geld, Hochkultur und Mischkalkulation ist eröffnet.
Und wie wird es weitergehen? Wird es zu einem endgültigen Bruch zwischen Rainer Moritz und dem deutschen Feuilleton kommen? Werden sich andere Verleger Rainer Moritz anschließen? Wird das deutsche Feuilleton den Fehdehandschuh aufnehmen und zurückschlagen? Wird das Wehgeschrei zunehmen? Werden jetzt alle in sich gehen? Und vor allem: Hat Rainer Moritz vielleicht sogar Recht? Wir bleiben dran.
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