unterm strich:
Demnächst wird ja wieder der Nobelpreis verliehen. Interessant, was er alles auslösen kann! Günter Grass etwa schafft es nicht mehr, die Briefe an ihn zu öffnen geschweige denn zu beantworten. Es sind einfach zu viele. Das berichtet sein Verleger Gerhard Steidl den Nachrichtenagenturen, und außerdem lassen sich in dieser Sache noch einige Zahlen kolportieren: „Mein Jahrhundert“, im Sommer 1999 als jüngstes Grass-Buch erschienen, war bis September 1999 in 150.000 Exemplaren über den Ladentisch gegangen. Nach der Nobelpreis-Bekanntgabe verdreifachte sich die Auflage bis Jahresende auf 475.000. Die „Blechtrommel“, zusammen mit den „Hundejahren“ und „Katz und Maus“ als „Danziger Trilogie“ konstant der stabilste Grass-Titel, wurden zwischen Stockholmer Bekanntgabe und Jahresende in 60.000 Exemplaren gekauft. „Katz und Maus“, sonst mit einer Auflage von 15.000 Stück pro Jahr, kauften im letzten Quartal 70.000 Leser. Der Verkauf einer Grass-Werkausgabe, für immerhin 398 Mark im Laden, schoss von 10 bis 15 im Monat auf 2.500 innerhalb von drei Monaten. Die zusätzliche „Wertschöpfung“ durch den Nobelpreis beziffert der Göttinger Verleger auf 20 bis 25 Millionen Mark. Außerdem hat sich der Umfang der Auslandsrechte verfünffacht. Für sieben oder acht völlig neue Sprachräume habe man Auslandsrechte verkauft, darunter nach China, Vietnam, Korea, und Libyen. So weit also das Ökonomische. Und worauf hat sich der diesjährige Preisträger mental einzustellen? Auf Stress. Grass ist seinem Verleger zufolge gegenüber dem überwältigenden Interesse an ihm „sehr müde und etwas abgestumpft“.
Wie abgestumpft der Filmemacher Wong Kar-wai Hamburg gegenüber ist, wissen wir dagegen nicht. Immerhin ist die norddeutsche Metropole weltweit eine so bedeutende Hafenstadt wie Wong Kar-wais Hongkong. Und: Er weilt heute bei den Hanseaten, um den Douglas-Sirk-Preis des Hamburger Filmfestes entgegenzunehmen. Wong Kar-weis neuer Film „In the Mood for Love“ startet Ende November in den deutschen Kinos. Außerdem an Alster und Elbe beim Repräsentieren, Filmegucken und PR-Arbeiten: Iris Berben, Evelyn Hamann und Götz George. Gestartet wurde das Festival gestern mit der Uraufführung von „Gran Paradiso – Das Abenteuer Mensch zu sein“ des jungen Hamburger Filmemachers Miguel Alexandre. Und nun noch eine ganz private Anmerkung der heutigen „unterm strich“-Teams: Liebe Filmfestivalankündiger der deutschen Presseagenturen, bezeichnet doch Filme nicht immer als „Streifen“! So weit muss der Synonymzwang nicht gehen.
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