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unterm strich

Irgendwie gehört sie ja schon zu uns, zu den Neunzigern, zum deutschen Pop-TV-Lifestyle-Bilder-Waren-und-Establishment-Komplex. Claudia Schiffer, bzw. Clodia, wie ihr Mentor Karl Lagerfeld mit spitzlippigem O zu säuseln pflegt. Clodia, die damals in der NDR Talkshow so unverblümt gefragt hat, ob Hoyerswerda eine Farbe ist, Clodia und David und die Grimaldis und überhaupt. Auf ihre alten Tage wird sie doch tatsächlich noch zum Kultstar. Es können ja wohl nicht nur ein paar gottverdammte Unterwäschefetischisten gewesen sein, die in Frankfurt von 600 riesigen H&M-Plakaten, auf denen Clodia in Tanga und BH mit Daisy-Duck-Lächeln posiert, 300 geklaut haben. Dem New Yorker Bezirksbürgermeister Jerry Jennings sind die Plakate mit den zweieinhalb diskreten Bauchfältchen sogar zu heiß. Insgesamt 100 gigantische Clodias sollen aus New York verschwinden, so Jennings, der absolut keine Zensur ausausüben will „aber ich bin ein Anwalt des guten Geschmacks, und darum geht es hier“. Okay, Clodia mag ein bisschen fad sein, aber geschmacklos? We are not amused. Vielleicht sollte man Jennings zum Training der Geschmacksnerven einfach mal in ein paar frühe John Waters-Filme schicken. In „Pink Flamingo“ zum Beispiel, diesem Meilenstein das bad taste, wo sich Divine, na, Sie wissen schon, was in den Mund stopft.

Und damit zu unseren urdeutschen Geschmacklosigkeiten. Nachdem er Marlene versaubeutelt hat, arbeitet Joseph Vilsmaier schon am nächsten „bewegenden historischen Drama“ (Pressetext). Michael Degen spielt in „Leo und Claire“ einen jüdischen Unternehmer, der sich in seine junge Nachbarin verliebt, und daraus wird dann „ein ebenso packendes wie sinnliches und tragisches Schicksal im Dritten Reich.

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