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unterm strich

Er war wohl das, was man einen Grandseigneur nennt. Aber nicht die alberne Mahagoni- und Sektglasvariante. Der Schauspieler Charles Regnier brachte auch in die albernste Handlung den kultivierten Ton des Weltmanns und einen Hauch immer auch abgründiger Souveränität. Die Eleganz war ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt worden: Da war das großbürgerliche Milieu der Großeltern, die in Badenweiler ein großes Hotel besaßen, und des Vaters, der Arzt war. Da waren andererseits der französische Großvater sowie die Jugendjahre im mondänen Montreux am Genfer See. Charles Regnier sprach fließend Französisch und hatte das Kosmopolitentum ohne jede Attitüde verinnerlicht. Als junger Mann entschied er sich Anfang der 30er-Jahre für ein Schauspielstudium in Berlin. 1933 floh er vor den Nazis ins italienische Portofino. Er kehrte später nach Berlin zurück, um sein Studium abzuschließen. Erste Theaterstationen waren Hannover und Greifswald, wo er Pamela Wedekind kennen lernte. Mit der Tochter des Dichters Frank Wedekind führte er von 1941 bis zu ihrem Tod 1986 eine glückliche Ehe. In den 50er- und 60er-Jahren war Regnier einer der meistbeschäftigten Charakterdarsteller des deutschen Kinos, später auch des Fersehens. Dass er meist nur zwielichtige Gestalten oder scharfsinnige Polizeikommissare in bestenfalls mittelmäßigen Filmen darstellen durfte, ärgerte ihn. Nur selten, zum Beispiel in der Fernsehfassung des Peter-Weiss-Stücks „Die Verfolgung und Ermordung des Jean-Paul Marat“ oder in dem Film „Die Ehe des Herrn Mississippi“, konnte er zeigen, was in ihm steckte. Neben seinem Schauspielerdasein inszenierte er, schrieb Drehbücher und machte sich insbesondere auch als Übersetzer französischer Autoren einen Namen. Von den drei Kindern aus erster Ehe ist Tochter Carola als Schauspielerin bekannt geworden. Mit seiner zweiten Frau und langjährigen Bühnenpartnerin Sonja Ziemann ging Regnier in den letzten Jahren bis zu seinem ersten Schlaganfall immer wieder auf Theatertournee. Im Kino war er zuletzt in Oskar Roehlers Film „Die Unberührbare“ zu sehen. Hier spielte er den zurückhaltenden, von seiner Frau unterdrückten Vater von Hannelore Elsner in einem großartig melancholischen Auftritt. Am Donnerstag starb Charles Regnier in einer Klinik in Bad Wiessee im Alter von 86 Jahren an den Folgen seines zweiten Schlaganfalls.

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