piwik no script img

unterm strich

Viel wurde gemunkelt, geschrieben und gejammert über die Schreibkrise der Judith Hermann. Zu hoch seien ihre Erzählungen „Sommerhaus später“ gelobt worden, der so produzierte Erwartungsdruck sei einfach zu stark gewesen. Dass sich Hermann durch die Verleihung des Kleist-Preises am Samstag im Deutschen Theater in Berlin schneller erholen wird von ihrer Blockade und wieder munterer drauf los schreiben wird, dafür spricht das viele Geld – mit 40 000 Mark ist der Preis dotiert. Dagegen spricht allerdings, dass der Preis zu den gewichtigsten deutschen Literaturauszeichnungen gehört. Er wurde 1912 von Richard Dehmel zur „Förderung poetischer Talente“ initiiert. Im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts erhielten ihn unter anderem die jungen Talente Bertolt Brecht, Robert Musil und Anna Seghers. Nach der späten Wiederbegründung des Preises 1985 hießen die Preisträger unter anderem Alexander Kluge, Thomas Brasch, Heiner Müller, Ernst Jandl, Monika Maron und zuletzt Barbara Honigmann. Nicht gerade ein einfaches Erbe also. Nicht eben bescheiden äußerte sich dementsprechend auch der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann, Vertrauensperson der Jury, der die Autorin im Deutschen Theater als einen Glücksfall für die Literatur bezeichnete. Hermann sei eine Dichterin und beherrsche die „schwierige Kunst der Poesie des Banalen und der Vergeblichkeit“. Sie sende „Nachrichten aus der Welt des Nichtgelingens“, ihre Figuren seien Repräsentanten „des besonderen Moments von unerwiderter Zärtlichkeit“. Und tatsächlich verwies die am 15. Mai 1970 in Berlin geborene Hermann dann auch in ihrer Dankesrede auf die „vielen Irritationen“, die die Verleihung des renommierten Kleist-Preises an eine Autorin, die bisher nur ein Buch veröffentlicht hat, verursacht habe. „Die mit dem Preis verbundene Aufforderung zum Durchhalten und Weitermachen verunsichert mich. Ich habe ein kleines Strandbuch geschrieben, das Herr Naumann vielleicht in die Ferien mitgenommen hat.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen