unterm strich:
Er war ein Männerregisseur, ganz klar, und wenn er sich einmal einem Schauspieler verschrieben hatte, dann hielt er ihm die Treue. Die aufeinanderfolgenden Schauspielerphasen von Henri Verneuil waren wie künstlerische Ehen, die in aller Freundschaft geschieden wurden, wenn am Horizont der Nächste auftauchte. Am Anfang stand der Komiker Fernandel. Mit ihm drehte Verneuil in den Fünfzigerjahren acht Filme, unter anderem das verwandlungstechnische Glanzzstück „Der Hammel mit den fünf Beinen“. Sie brachten ihm den Ruf eines Erfolgsgaranten ein, der solide Arbeit ablieferte und die Produzenten nie enttäuschte. Danach kam die Jean-Gabin-Phase, die zwar nur aus fünf Filmen bestand, aber zum Besten gehörten, was Verneuil in immerhin vierzig Berufsjahren gedreht hat. Nie war Gabins Kartoffelgesicht regloser, nie war sein Strichmund verschlossener als in „Der Clan der Sizilianer“ von 1969, der außerdem noch Lino Ventura und Alain Delon in einer Geschichte aus unausgesprochener Konkurrenz und minimalistischen Machogesten zusammenbrachte. Ein Film der schwarzweißen Coolness. Am Ende erschießt der Clanchef Gabin den jungen Komplizen Delon, weil der was mit seiner Schwiegertochter hatte, und das ist dann bei aller existenzialistischen No-Future-Attitüde ein schlicht ergreifender Moment des französischen Gangsterfilms.
Auf Gabin folgte dann Verneuils Jean-Paul-Belmondo-Phase, fast ausnahmslos Kriminalfilme, in denen Jean-Paul sich als unkonventioneller und vorzugsweise zynischer Gangster oder Polizist mit trockenen Sprüchen nach Belieben verausgaben konnte.
Vielleicht ist es tatsächlich Verneuils größter Verdienst, dass er den jeweiligen männlichen Schauspielerikonen über Jahre hinweg die Treue hielt und auf diese Weise half, Karrieren zu stabilisieren oder – im Fall von Gabin – einem Star, dessen Ruhm schon etwas verblasst war, zu einer zweiten großen Zeit zu verhelfen. Neben den rührigen wilden Jungs von der Nouvelle Vage bildet Verneuils sich über die Jahrzehnte erstreckendes Oeuvre eine Art verlässliches Paralleluniversum, eine Welt, in der Filme einfach gedreht werden, um den Leuten einen guten Kinoabend zu verschaffen, ohne übersteigerte Ambitionen, aber eben manchmal mit großen Momenten.
Henri Verneuil starb am vergangenen Freitag in Paris im Alter von 81 Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen