unterm strich:
Kunst in Kassel findet nur vorübergehend statt: Der neue Eigentümer eines Hauses hat wenige Wochen vor Beginn der documenta beim Übertünchen der Fassade seines Hauses unwissentlich ein 20 Jahre altes documenta-Kunstwerk zerstört. Die Fassade war seit 1982 mit Thesen der New Yorker Aktionskünstlerin Jenny Holzer beschriftet gewesen. Der damalige Hauseigentümer hatte nach dem Ende der Werkkunstschau darauf verzichtet, seine Fassade wieder überpinseln zu lassen. documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld bedauerte zwar den Verlust des Kunstwerks, betonte aber auch, dass bei jeder documenta Kunstwerke im Freien nur vorübergehend in Kassel installiert seien.
In Köln gibt’s dagegen Kunst im Vorbeigehen: Ein Jahr lang hat ein Kölner Künstlertrio täglich den Dom durchkämmt und aufgesammelt, was Besucher und Beter verloren und Putzfrauen übersehen hatten. Die eher banalen Hinterlassenschaften der Passanten entfalten einen eigenartigen Reiz, wenn man sie in einen größeren Zusammenhang stellt: Da ist zum Beispiel die Büroklammer, die sich als Urform gotischer Spitzbogenarchitektur entpuppt, oder die Plastikgabel, deren zwei verbliebene Zinken – mit zusammengekniffenem Auge – verblüffend die Silhouette des ehrwürdigen Kölner Doms abgeben. „Es geht um das, was zwischen den Stücken zu sehen ist“, kommentiert das Kölner Trio, das nach eigenem Bekenntnis nur mäßig religiös ist. Ihr Projekt aber, da sind sich die drei ziemlich sicher, komme dennoch der Religiosität zu Gute, „denn das ist eine junge, frische Sichtweise auf die Kirche“. Deshalb wird in einem zerrissenen Schnipsel Kaugummipapier sogar der päpstliche Ostersegen anzitiert: Da steht allerdings bloß noch „… Orbi“.
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