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unterm strich

In die Konkurrenz der beiden Großkritiker Marcel Reich-Ranicki und Joachim Kaiser, die sich in der Bewertung der wichtigsten Werke der deutschen Literatur uneinig sind, hat sich jetzt erstmals ein Schriftsteller eingeschaltet und seinen ganz eigenen „Literaturkanon“ aufgestellt. Im Unterschied zu den westdeutschen Kritikern möchte der Leipziger Altschriftsteller Erich Loest unter die zwanzig besten Romane der deutschen Literatur auch Werke der DDR-Literatur gezählt wissen. Welche genau, das verriet der 76-jährige Autor der Dresdner Morgenpost, die seine Aufzählung in ihrer morgigen Ausgabe drucken wird. Ob Loest wohl eines seiner eigenen Bücher („Nikolaikirche“, „Reichsgericht“) darunter gemischt hat?

Etwas zweifelhaft geraten ist eine neue Aktion der Bundeszentrale für politische Bildung. Mit einer bundesweiten Filmreihe will sie die Toleranz von Schülern gegenüber dem Islam fördern. Das ist sicher gut gemeint, denn „der Islam wird in den Schulen vernachlässigt“, beklagte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, am Montag. Und welche Filme sollen nun den „muslimischen Alltag von innen zeigen“, wie es in einer Erklärung heißt? Die Komödie „Anam“, die von Freuden und Leiden einer türkischen Putzfrau in Deutschland erzählt. Das Bio-Pic „Ali“ über Muhammed, der, wir erinnern uns, einst zum Islam konvertierte. Die türkische Klamotte „Propaganda“ über ein Dorf an der syrischen Grenze. Die „Reise nach Kandahar“ des iranischen Regisseurs Mohsen Mahmalbafs über Afghanistan unter den Taliban. Und die schwedische Komödie „Jalla! Jalla!“, die durchaus amüsant von den Liebesnöten zweier junger Männer erzählt, eines Maghrebiners und eines Schweden. Was aber erzählen diese Filme über den Islam? Vermutlich so viel, wie „Manche mögen’s heiß“, „Platoon“ und „Der Pate“ über das Christentum verraten. Dezidiert von Religion handelt jedenfalls keiner der sehr unterschiedlichen Werke, welche die Bundeszentrale für Politische Bildung ausgewählt hat. Gezeigt werden die genannten Filme übrigens vom 4. November an in 16 Städten, die Vorstellungen starten jeweils morgens um 9.30 Uhr: Vor allem Lehrer sollen dann ihre schlaftrunkenen Schützlinge in den Kinosaal lotsen, um anschließend im Unterricht über das Gesehene zu diskutieren. Oder abends dann im Internet, wo von 17 bis 19 Uhr Menschen wie Buket Alakus, die Regisseurin des Films „Anam“, der HipHop Musiker Torch oder die „Heute-Journal“- Redakteurin Julia Gerlach zum Chat bereit stehen. (Infos unter www.islam-cinema.de).

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