unterm strich:
Und die taz (vom 4. November) hatte Recht: Der Turner-Preis, die mit 20.000 Pfund dotierte bedeutendste Auszeichnung für britische Gegenwartskunst, ging am Sonntagabend, wie von Harald Fricke prognostiziert, an den Künstler Keith Tyson. Und prompt befand Großbritanniens Kulturminister Kim Howells, dass es sich bei dessen überdimensionaler schwarzer summender Säule, in der sich ein Computer befindet – vielleicht aber auch Hegels Weltgeist –, um „kalten, mechanischen, konzeptionellen Bullshit“ handelt. Tyson selbst sprach nach der Verleihung in der Tate Modern in London von einer großen Ehre. „Ich bin aber auch sehr erleichtert. Nicht weil ich gewonnen habe, sondern weil der Druck einem sehr zusetzt.“ Er wäre daher genauso erleichtert gewesen, hätte er ihn nicht bekommen. Sein schwarzer Computerblock heißt „The Thinker“, und denken lässt der 33-Jährige, der in Bristol „alternative practices“ studierte, auch andere Rechenmaschinen, deren seltsame Experimente er dann nachbaut, -malt und -zeichnet.
Die Auszeichnung wurde von Daniel Libeskind, dem Architekten des Jüdischen Museums in Berlin, überreicht. Wie der Kulturminister reagierten auch die britischen Medien mit Unverständnis auf die Jury-Entscheidung. „Das Allerbeste der britischen Kunst: Eine große schwarze Kiste, die summt“, titelte etwa ironisch die Zeitung Daily Mail über „The Thinker“. Gar als „Demütigung für das künstlerische Establishment“ wertete The Guardian die Verleihung. Der Jury-Vorsitzende und Tate-Direktor Nicholas Serota hatte die für die Nominierung ausgewählten vier Künstler Liam Gillick, Catherine Yass, Fiona Banner und schließlich Keith Tyson schon vorab gewarnt, dass von allen Seiten Druck auf sie zukommen werde. Tysons Arbeiten wertete die Jury als „poetisch, logisch, humorvoll und fantastisch“. Noch klarer wird das natürlich in den Worten der taz: per Buntstift durch die Galaxis. Apropos: Warum wenigstens tröstet es die Concept-Art-allergischen Briten nicht, dass der „Turner“ nun an einen Künstler ging, der vornehmlich malt?
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