umsonst-laden: HENNING KRAUDZUN über den Wandel der Stadt
„Team 2“ steht vor der Tür
Die Betreiber des Umsonst- Ladens sind aufgebracht. Gerade läuft ihr Projekt in der Brunnenstraße 183 richtig an, und nun steht ihnen eine Räumung bevor. Dabei spricht sich ihre Idee von Geben und Nehmen, ohne Geld dafür bezahlen zu müssen, mittlerweile in ganz Berlin herum. Viele bringen jene Dinge, die bei ihnen zu Hause nur noch verstauben und die längst durch etwas Neueres ersetzt worden sind. Ohne dafür bezahlen zu müssen, können andere die noch funktionierenden und brauchbaren Sachen mitnehmen. „Nachbarschaftliche Kooperation und sozialer Austausch“, so nennen das die Betreiber des Ladens.
„Diese Projekte existieren schon lange in anderen Großstädten Europas“, erzählt Jan, der gerade den Computer einrichtet. Auch das Surfen im Internet und das Brennen von CDs ist für jeden Besucher umsonst. „Wir sind über Kontakte nach Hamburg, wo deutschlandweit die erste Einrichtung dieser Art existiert, auf die Idee gekommen“, erzählt er. Seit Dezember nutze man das Straßencafé dafür. Nunmehr sei schon wieder alles in der Schwebe, sagt Jan. Der Hauseigentümer, Günter Stach, und sein „Team 2“, eine Gesellschaft für Stadtentwicklung, haben auf Hausfriedensbruch geklagt. Am Montag waren bereits Polizeibeamte in der Brunnenstraße, nahmen Personalien auf und einen Schlüssel für den Laden mit. Die Situation sei einfach unlogisch, betont Jens, der sich zusammen mit Jan um den Laden kümmert. Aus einem verwahrlosten Ladenlokal habe man sich selbst und anderen einen Freiraum geschaffen. Man wolle zeigen, dass Alternativen machbar sind. Machbar ist das hingegen nicht für den Besitzer. „Im vergangenen Jahr kaufte er das Haus und fuhr gleich einen Konfrontationskurs“, sagt Jens. Eine Flut von Klagen erreicht seitdem die Bewohner des notdürftig hergerichteten Gebäudes. „Er bezeichnet uns als Besetzer, obwohl wir an die Vorbesitzer Miete überwiesen.“ Nur schriftliche Mietverträge könne man nicht vorweisen. Da das Geld angenommen wurde, käme das einem Vertrag gleich.
Zuerst sollte das Bezirksamt vermitteln. „Angeregt wurde von dort jedoch bis heute nichts“, ärgert sich Jens. „Stattdessen haben wir seit Wochen eine Polizeistreife vor dem Haus.“ Die Beamten, und darüber regten sie sich am meisten auf, würden Dealerei im Laden vermuten. „Eine zurechtgebogene Verleumdung des Eigentümers, mehr nicht“, sagt Jan. „Team 2“ versuche wirklich alles, um sie herauszudrängen. „Denn nur wenn die Immobilie komplett leer steht, können sie es schneller und gewinnbringender weiterverkaufen“, sagt Jens. Einige potenzielle Käufer hätten sich das Haus bereits angesehen. „Team 2“ wollte sich gestern dazu nicht äußern.
Der Aufruf zur Initiative wurde von den Sympathisanten des Sozialprojektes verstanden. Gerade bringen sie im Minutentakt altes Geschirr, Computerhardware, Bücher, Spiele und sogar Haargel in Tuben. Vor allem technische Geräte, die im ersten Moment unbrauchbar erscheinen, überprüft Jens akribisch „Die Sachen sollten funktionieren“, sagt er. Kurze Zeit später kommt die nächste Fuhre. Mario, der sein Auto voll geladen hat, bringt Hausrat und alte Kopierer aus einem Obdachlosencafé in der Schliemannstraße. „Das stammt alles aus einem Spendenprojekt, wir haben zu viel davon“, sagt Mario. Für ihn sei eine Solidarisierung der Szene selbstverständlich.
Auch eine ältere Frau will helfen: „Für den Laden konnte ich mich endlich mal von einem Teil des Geschirrs trennen“, sagt sie. Über 80 Jahre sei sie alt und habe den Wandel Berlins erlebt. Aber was dem Projekt widerfahren soll, könne sie überhaupt nicht verstehen. Ein Mann lässt sich erklären, warum der Umsonst-Laden gefährdet ist. Über die vielen staubigen Töpfe schüttelt er den Kopf. „Ihr holt euch bei dem Krempel am Ende noch Lungenödeme“, sagt er und lacht.
Jens, der von einer zur nächsten Lieferung springt, versichert auch ihm: „Das ist kein Recyclinghof, sondern ein Gebrauchtladen, alle Dinge sind so weit in Ordnung.“ Der Mann ist mittlerweile überzeugt von der Idee. „Nächstes Mal bringe ich euch meinen alten Monitor, wenn es den Laden dann überhaupt noch gibt.“ Unsinn sei es, sagt er, wenn die gute Idee der Immobilienspekulation zum Opfer fiele.
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