ulrike winkelmann über Golf: Siegerurkunde für Verweigerer
Wenn Männer um die Dreißig sich heute Kinder aufbürden, dann wollen sie ganz doll gelobt werden
Es war schon früh am Morgen, die Party eigentlich schon zu Ende, da beugte sich G. zu mir herüber und sagte: „Sie will das ja so.“ Er selbst wolle eigentlich gar kein Kind, aber seine Freundin nun einmal unbedingt, und nun ja, wenn er sie nicht verlieren wolle. Und so weiter, und so fort. Er setzte dazu sein schlingelig-unschuldiges Gesicht auf, um mir außerdem noch mitzuteilen: Ihr Frauen wisst ja genau, wie ihr euch durchsetzen könnt, aber jetzt brauche ich dich auch mal als Verbündete.
So, so. Der Herr wollte meinen Segen, dass das schon in Ordnung geht, wenn man nicht so will wie die Liebste. Dass er sich ein bisschen verweigern darf – nicht bei der Kinderproduktion, die war bereits vier Monate zuvor angelaufen und insofern nicht zurückzufahren –, aber bei ihrer paarigen Gewolltheit. Er darf das doch, wollte er hören: nicht von ganzem Herzen dabei sein. Man kann doch Menschen, sprich: Männer, nicht zum Gefühl zwingen, und wenn sie dann mitmachen, ist das doch schon Heldentat genug.
Mir ging das bei den Bundesjugendspielen immer so. Jetzt trete ich schon zu euren bescheuerten Sportveranstaltungen an, nun verlangt nicht von mir, auch noch besonders weit zu werfen. Aber natürlich wollte ich so wie alle anderen stillen Verweigerer nachher auch eine Siegerurkunde haben. Wer die nicht kriegte, hatte ja nun echt versagt. G. wollte auch seine Siegerurkunde: Hat an den Familiengründungsspielen 2001 „mit Erfolg“ teilgenommen. Die Ehrenurkunde gäb’s nur für „mit großer Begeisterung“.
Im Übrigen war G. auch nicht der Erste und seither nicht der Letzte, der meinen Geleitschutz in sein inneres Familienplanungsexil verlangte. Als A. mir ankündigte, seine Freundin sei schwanger, und, als ich überrascht aufkiekste, nachsetzte: Sie ist sehr glücklich, wusste ich schon Bescheid. Noch so einer. Hm, ja, er hätte sich wohl lieber noch etwas Zeit gelassen, aber sie sei ja auch schon über dreißig und so.
Du übrigens auch, dachte ich, aber bei dir kommt es nicht so drauf an, was? Plötzlich wünschte ich ihm heftig, dass er in zehn Jahren singelig und mit Fortpflanzungswunsch in der Gegend sitzen und feststellen möge, dass die potenziellen Mütter seiner Kinder leider alle längst vergeben wären.
Ob er wusste, dass laut Statistik weit mehr Männer als Frauen kinderlos in die Vierziger steuern? Eindeutig war er gerade dabei, sich ein kleines emotionales Schlupftürchen zu schaffen, im Voraus schon einmal vor sich und der Welt klarzumachen, dass er ja in Wirklichkeit ein unabhängiger Mensch bleibt. Wenn es dann nachher Stress gibt, schließlich gilt Kinderhaben und Zusammenwohnen als anstrengend, kann man nämlich darauf verweisen, wer von beiden wirklich zuständig ist. Natürlich nicht so platt: „Du hast es aber gewollt!“, sondern mehr in der Art, dass man genauso viel Distanz zum gemeinsamen Projekt signalisiert, dass die andere sich schon kümmert. Das ist wie mit dem WG-Mitbewohner, der die Lieblingstassen gerade so wackelig auf dem Abtropfsieb platziert, dass man ihm das Abwaschen insgesamt untersagen möchte.
Mittlerweile unterscheide ich zwei Arten von Möchtenichtsogern-Vätern, die ihr Befinden, sie seien noch zu jung für Nachwuchs, mitteilen möchten. Entweder setzen sie auf die „Es ist mein Recht, kein Kind zu wollen“-Tour und mimen die Unterdrückten. Das ist dann anstrengend, gerade weil sie sich gleichzeitig in die Brust werfen, das Selbstbewusstsein zu haben, einer Frau zu widersprechen. Puh. Alles künftige Mitglieder dieser Diskriminierte-Väter-Selbsthilfegruppen.
Die Version für den aufgeklärteren Mann scheint aber die Masche „echter Frauenfreund“ zu sein. Freimütig bekennt er sich dazu, nun einmal keine biologische Uhr ticken zu hören, noch nicht alle Bars der Stadt gesehen zu haben und überhaupt auf so viel Verantwortung eigentlich keinen Bock zu haben. Dann rollt er in gespielter Verzweiflung mit den Augen und seufzt, dass er natürlich alles tut, was sie will, weil sie ja sonst auch immer Recht hat. So wie G., der mich nach seinem Geständnis so offenherzig anjüngelte. Nö, dachte ich mir da, hier wird jetzt nicht herumgekumpelt. Und überhaupt: Was war das für ein schiefes Lächeln? Wollte da schon mal jemand für den nun beginnenden Lebensrest in Unfreiheit seine Affären-Optionen auschecken? Ich strahlte zurück und charmierte, dass er sich ja nun sicherlich keine Sprünge vom Pfad der Tugend mehr leisten werde. Zumal er ja wisse, dass Frauen Väter meiden wie die Pest. Dafür gibt’s zwar keinen Beleg. Aber die Kränkung hatte er verdient.
Fragen zu Golf?kolumne@taz.de
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