tierisch gut: Bauchtaschen am Wattenmeer
Seepferdchen haben etwas Beruhigendes. Meist unbeweglich hängen sie im Wasser rum, mit dem kräftigen Wickelschwanz an Seegras geklammert, und warten auf vorbeidriftendes Plankton. Die merkwürdigen Fischchen mit dem Pferdekopf sind weltweit gefährdet, in Nord- und Ostsee sind sie nahezu ausgestorben, zumeist als Beifang einen sinnlosen Tod gestorben in den Schleppnetzen der Fischer. Kein Wunder also, dass das wunderliche Hippocampus, bei dem die Männchen den Nachwuchs in ihrer Bauchtasche ausbrüten, zum Wappentier des Multimar Wattforums in Tönning wurde.
Das Nationalpark-Zentrum an der Mündung der Eider ist das Schaufenster des Weltnaturerbes Wattenmeer. Dieser einzigartige Lebensraum aus Salzwiesen, Schlick und Meer wird hier auf mehr als 3.000 Quadratmetern in Ausstellungen und 37 Aquarien präsentiert, Forscherlabore und Entdeckertouren richten sich vor allem an Kinder und Schulklassen. „Da gibt es überall was zu drehen, zu malen, zu erraten“, sagt Ausstellungsleiter Claus von Hoerschelmann: „Bloß keine Langeweile aufkommen lassen.“
Und das gelingt dem Multimar, das im nächsten Sommer 20 Jahre alt wird, vorzüglich. 175.000 BesucherInnen werden in diesem Jahr erwartet – „der lange, heiße Sommer“, seufzt von Hoerschelmann, habe zu einem Rückgang geführt, im regnerischeren Vorjahr waren 190.000 Menschen in den imposanten Bau gekommen. Zwei Drittel der Kosten deckt das Multimar aus Eintrittspreisen, der Rest kommt vom Land Schleswig-Holstein.
„Schließlich haben wir ja auch einen Bildungsauftrag“, sagt der 57-jährige Biologe, und den nimmt das Multimar sehr ernst. Unterschiedlichste Angebote „von der Kita bis zum Abitur“ gehören zum Programm, jährlich etwa 25.000 SchülerInnen können in diesem Lernort Wissenswertes über das Leben von Wattwurm und Schweinswal, Seestern und Kegelrobbe ebenso erfahren wie über Ökologie und Artenschutz, Fischerei und Überfischung. Und den Müll im Meer übersieht das Multimar natürlich auch nicht: 2019 soll dieses Thema ein Schwerpunkt werden „Die Nordsee darf nicht zur Müllkippe verkommen“, sagt von Hoerschelmann, „das wollen wir vermitteln.“
Eine Attraktion ist das Skelett eines Pottwales, der vor Jahren an der nordfriesischen Küste strandete, halbseitig mit täuschend echt aussehender Kunststoffhaut überzogen, die andere Seite ermöglicht Einblicke in das Innere des Wales. Und eine Attraktion wird sicher auch das geplante Außengehege für Fischotter. In der Eider, Schleswig-Holsteins größtem Fluss, waren sie einst heimisch, jetzt kehren sie langsam zurück. „Die Otter sind ein Symbol für die Rückeroberung von Lebensräumen durch Wildtiere“, sagt von Hoerschelmann, „auch das wollen wir gerne zeigen.“ Sven-Michael Veit
Multimar Wattforum, Dithmarscher Straße 6a, Tönning; www.multimar-wattforum.de, ☎04861/96200. Geöffnet vom 1.11. bis 31.3. (außer Heiligabend) 9–17 Uhr, ab 1. 4. 9–18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 9 Euro (erm. 6,50), Kinder (vier bis 15 Jahre) 6 Euro, Familien-ticket 25 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen