themenläden und andere clubs: Warum man neue Moden so liebt und sich Wochen später schon nicht mehr an sie erinnern kann
Die Trendfalle
Das alte Jahr ist längst vorbei, noch hat das neue nicht richtig begonnen. Weil es so üblich ist, nehmen auch wir uns an dieser Stelle die Zeit zum Innehalten und Resümieren. Wir haben in den letzten Monaten den Unterschied zwischen Trends und Moden dargelegt und auf ihre Verbindung zu Gewohnheiten, Jahreszeiten sowie schicksalhafte Wechselwirkungen verwiesen. Wir haben uns dabei nicht um allgemeine Verständlichkeit geschert. Wir haben Trends ausgerufen und wieder verschwinden sehen und konnten uns schon eine Woche später nicht mehr daran erinnern. Im letzten Jahr war es nach unserer Beobachtung schick, sich vor Schaufenstern zu versammeln, sich auf Parkplätzen zu treffen, zu Ausstellungseröffnungen zu gehen, nicht zu Ausstellungseröffnungen zu gehen sowie an Ausstellungseröffnungen vorbeizugehen.
Zu Ausstellungseröffnungen zu gehen, um an dem gesellschaftlichen Ereignis teilzunehmen, und sich dabei demonstrativ nicht für die Kunst zu interessieren, war hingegen nicht schick, sondern ein Gestus der 90er-Jahre und folglich veraltet. Manchmal war es auch schick, einfach daheim zu bleiben. Wir erlebten das Revival der fürs Nachtleben umfunktionierten Ladengeschäfte und staubigen Bars, die nach Wochentagen benannt wurden. Wir lernten die Vielfalt der Cocktailbars schätzen und fanden Promibars einen Moment lang „interessant“. Wir stellten uns die Frage, ob nun die Kunstzene mehr in die Clubszene drängte oder vielleicht umgekehrt. Dann wurde uns diese Frage plötzlich egal. Also gingen wir, weil es dem Trend entsprach, zu Lesungen, um festzustellen, dass Lesungen noch langweiliger sind als das Lesen selbst. Uns wurde alles zu viel, wir hatten plötzlich Angst, dass nichts mehr passiert. Dann kamen wie aus dem Nichts die After Work Clubs und brachten zumindest theoretisch neuen Schwung. War es nun ein Segen, zur Abendbrotzeit ausgehen zu können, oder war diese Möglichkeit ein Fluch? War es vielleicht ein Zeichen vorzeitiger Alterung? Die Frage, ob es nun subversiver ist, ohne Arbeit einen After Work Club zu besuchen oder als Arbeitnehmer After Work Clubs zu meiden, um grundsätzlich nur Clubabende anzusteuern, die niemals vor Mitternacht beginnen, wollten wir uns nicht stellen, weil sie uns zu doof schien.
Doch was passierte eigentlich in den Clubs? Die Drum-&- Bass-Abende verloren erneut an Bedeutung, die Two-Step-Nächte konnten an derselben kaum gewinnen, das Loungen setzte sich endgültig durch. Auf dem Techno- und House-Sektor blieb alles wie gehabt. Es passierte also nichts. In dieses Nichts schlich dann aus heiterem Himmel das Gespenst der 80er-Jahre, und wir mochten es kaum vertreiben. Es war so vertraut, wir erinnerten uns noch gut: Haarspray-Frisuren, Schüttelfrisuren, blondierte Spitzen, Schulterpolster, Schwarzweiß-Muster und fliederfarbene Alcantara-Kostüme. Weil wir den Einfallsreichtum der Anderen schätzen, nannten wir das Phänomen gemäß der Zeitschrift Prinz „New Pogo“. Wir erklärten Nietenarmbänder, Nietengürtel und Nietenjeans zum Must-Buy-Of-The-Month, sahen darin ein Fashion-Item, das Glamour, Verwegenheit, Härte und ein besonderes Lebensgefühl ausstrahlte. Das Lebensgefühl des neuen Jahrtausends.
Der neue Trend wurde zu einer Mode und langweiligen Gewohnheit. Heute sind Nieten-Accessoires lächerlich und tragisch veraltet. Das ist der Preis des Fortschritts, das geht immer so weiter. Wir finden das gut. Alles was hinsichtlich Lifestyle, Club- und Popkultur wirklich wichtig ist, wird schon nach kürzester Zeit bedeutungslos und peinlich. An dieser Stelle empfehlen wir für nächste Woche Kajalstifte, Cordhosen und Strickkrawatten. HARALD PETERS
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