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themenläden und andere clubsAuf der Suche nach dem richtigen Bezirk

Zurück nach Kreuzberg

Was die Bezirke anbetrifft, in denen es cool ist zu wohnen oder wenigstens okay, und die Bezirke, die sozusagen No-go-areas sind, in denen man also nicht nur nicht wohnt, sondern die man auch sonst nicht besucht, hat in Berlin seit jeher alles seine Ordnung. Wer früher neu ankam, wollte nach Kreuzberg oder Schöneberg, nach 36, 61, 30 oder 62. Wer das nicht schaffte, der Wohnungsmarkt war schon Mitte der Achtziger ziemlich dicht, landete in Neukölln oder Wedding.

Nach den schön wirren Übergangszeiten von 90–93 gibt es inzwischen eine neue Ordnung: Wer heute nach Berlin kommt, will nach Mitte oder Prenzlauer Berg. Wer sich dort keine Wohnung leisten kann, landet in Friedrichshain oder in den Bezirken des Prenzlauer Berg, die zwar noch zum Prenzlauer Berg gehören, aber so weit draußen sind, dass man sie schon in Pankow oder Weißensee wähnt, also sagen wir mal jenseits der Erich-Weinert-Straße. (Die Bezirksreform interessiert uns bei dieser kleinen Erörterung nicht.)

Natürlich wechselten in den letzten Jahren viele Kreuzberger nach Mitte oder Prenzlauer Berg – weil es dort eben passierte. Es gibt aber wiederum auch die, denen es schnurzpiepe ist, was in den Ostbezirken geht, und die die Stellung halten: einmal Kreuzberg, immer Kreuzberg. Natürlich führt solche Standhaftigkeit dazu, dass Kreuzberg zunehmend altert. Das Durchschnittsalter liegt mittlerweile bei 30 bis 50, während es in Prenzlauer Berg locker zehn Jahre weniger sind –wer das nicht glaubt, braucht an einem Freitagabend nur mal zwischen Oranienstraße und Kastanienallee zu pendeln. Kreuzberg ist heute also das Schöneberg der späten Achtziger – sieht man einmal davon ab, dass Schöneberg immer gleich alt (oder jung) geblieben ist. Was bedeutet, dass Kreuzberg in dieser Hinsicht Schöneberg bald überrundet hat.

Andererseits geben gegenläufige Wanderungsbewegungen zu denken: Mein Freund Max, noch keine 28 Jahre alt, kam vor zwei Jahren von Hamburg nach Berlin und zog in die Stubbenkammerstraße in Prenzlauer Berg. Ein klassischer Fall eigentlich. Doch es gefiel ihm nicht, nicht das Gewese um den „Szenebezirk“, nicht all die ewig gleich aussehenden jungen Leute in ihren schicken Second-Hand-Outfits. Max ist jetzt gerade in die Falckensteinstraße in Kreuzberg gezogen, in eine Neubauwohnung, die er einfach nur super findet.

Auch Angie, 24 Jahre jung und gebürtige Ostberlinerin, hat keine Lust mehr, in der Neuen Schönhauser Straße zu wohnen. Ihre unmittelbare Umgebung ginge ihr zunehmend auf den Geist, sagt sie, und immer wieder werde sie von den neuen Berlinern in ihrer kleinen Enklave von oben bis unten abgecheckt. Angie schwebt ein Umzug nach Charlottenburg vor.

Im Übrigen hört man immer wieder von Leuten, dass sie die Stadt ganz verlassen wollen, in Richtung Frankfurt oder Hamburg beispielsweise. Ihr Argument: Man müsse mal wieder erfahren, wie das so ist im richtigen Leben. GERRIT BARTELS

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