themenläden und andere clubs: Das Maria hat wieder eröffnet und heißt jetzt Maria am Ufer
Back in Business
Cluberöffnungen sind immer etwas Besonderes. Man ahnt manches, aber weiß noch nichts. Man kennt die Räume noch nicht, in denen man später vielleicht viele Stunden zubringen wird, in denen sich persönliche Dramen abspielen können, in denen ekstatisch getanzt, Unmengen getrunken oder einfach nur stundenlang dummes Zeug geredet wird. Alles ist noch neu und unvertraut, alles was später einmal ein Mittelpunkt der Welt oder immerhin Ort des Geschehens sein kann.
Ja, ja, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Die Zeiten aber in denen Cluberöffnungen uns an neue, verborgene Orte geführt haben sind vorbei.
Die HO-Gaststätten, Kaufhallen und Freizeitheime sind längst abgerissen. Sinnlos, den Zeiten nachzutrauern, als die geheimen Adressen 103/Friedrichstraße, Ibiza/Karl-Marx-Allee lauteten, als noch ein WMF unterm Potsdamer, ein Sexyland unterm Rosenthaler Platz möglich war. Der Platz ist knapp geworden, und so sind die neuen Orte oft die alten und damit wenig spektakulär.
Nun ist das Maria also vom Ostbahnhof ein paar Meter weiter an die Schillingbrücke gezogen, ist jetzt ganz nah am Wasser gebaut und nennt sich Maria am Ufer.
Auch diesem Ort fehlt zunächst der Reiz des Neuen. Hier war ja bis zum Sommer noch das Deli zu Hause, ein leicht verranzter Technoclub der alten, undergroundigen Schule. Ein Lagerfeuer loderte dort im Vorraum, und wenn man des Sonntagnachmittags über die Schillingbrücke zum Ostbahnhof lief, sah man stets ein paar verstrahlte Raver, die zum Ende der After-Hour aus dem graffitiverzierten Bau von der Sonne geblendet nach Hause stolperten.
Kann das den Liebhabern des alten Maria eine neue Heimat sein? Von der Schillingbrücke führt ein schmaler Pfad zu dem Bau. Romantisch, aber auch ein bisschen Unheil verkündend schwappt das schwarze Wasser gegen die Ufermauer.
Wahrhaft großzügig ist es drinnen: Das Ensemble von Empfangstresen und Garderobe zieht sich, Kilometer läuft man bis zur Bar. Das ist kein Club, es ist eine Halle.
Zu DDR- Zeiten wurden hier Bootsmotoren für die Modelle „Tümmler“ und „Forelle“ gebaut, jetzt tummeln sich nur paar Technofischlein und DJ-Hechte auf der Tanzfläche. Um ein Jahrzehnt zurückversetzt fühlt man sich hier. Kalter Industriecharme und deutsche Technohärte geben den Ton an, als habe es Wohnzimmer, Lounging und Cocooning nie gegeben. Vielleicht wird hier aber auch gerade das Revival der Neunziger eingeläutet, und wir müssen alles noch mal von vorne durchmachen?
Viel nackten Beton gibt es zu bestaunen. Manche Betonpfeiler sind roh, manchmal grinsen aufgemalte oder in Airbrushtechnik gestaltete Hippiegesichter von den Wänden. Vor einer großen Wand steht das DJ-Pult, Drum ’n’ Bass, Techno, Balearenelektronik läuft heute.
Am Gemütlichsten ist es eigentlich in den langen Fluren, auf den Bänken vor den Toiletten, da riecht es nach Farbe, und alles ist so frisch und sauber.
Wird das was werden mit uns und dem neuen Club? Die meisten sind skeptisch, sprechen hässliche Worte wie „Mayday-Atmosphäre“ und „Berlinale- Filmparties“ aus. Ja, große Konzerte kann man sich hier vorstellen, aber sonst? Skeptisch blickt man umher.
Und doch ist das Maria noch immer sehr beliebt. Hunderte, vielleicht sogar tausend sind an diesem Freitagabend zur inoffiziellen Eröffnung gekommen.
Und dann irgendwann um drei oder um vier ist die Tanzfläche brechend voll, und man steht mit einer schönen Selbstverständlichkeit einfach so rum, mit einem Getränk in der Hand, und kennt dann doch fast alle, redet mit jedem, findet die Musik plötzlich doch gut und fühlt sich irgendwie sehr wohl. Wer weiß, vielleicht kann es ja doch wieder etwas werden mit Maria und uns.
CHRISTIANE RÖSINGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen