themenläden und andere clubs: Faserland, Synthies, „Gone Daddy Gone“, Spackos, „Los niños del parque“: Wann hört das Achtzigerjahre-Revival endlich auf?
Täglich grüßt das Murmeltier
Weiß überhaupt noch jemand, wann das genau angefangen hat mit diesem einfach nicht enden wollenden Achtzigerjahre-Revival? Welche Band tauchte als Erstes wieder auf, obwohl sie schon lange und mal mehr, mal weniger vergessen in der Popgeschichte ihr Plätzchen gefunden hatte? Oder welches Mode-Accessoire? Welche Bücher, Fernsehserien, Autos, Frisuren?
Es gab da mal die Ankündigung eines Heaven-17-, Soft-Cell- und Culture-Club-Konzerts, entweder war das 1999 oder 2000, und der Reflex war damals noch: Sofort hin, weil es ja lustig hätte werden können, es gab schließlich noch nicht viele solcher Veranstaltungen. Stattgefunden hat dieses Konzert nie, glücklicherweise, möchte man im Nachhinein sagen.
Vielleicht war es auch die Wiederholung der Formel-1-Musiksendungen auf TVB? Oder die Eröffnung der Galerie berlintokyo 1996? Ja, man könnte auch Christian Krachts 1995 erschienenes Buch „Faserland“ als Beginn des Revivals nehmen, denn es bewies, dass es ein Schreiben nach Tempo gab und es mit der Markenfetischisierung noch lange kein Ende genommen hatte.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass man langsam, aber sicher die Nase voll hat von den Achtzigern. Dass da immer noch was kommt, nicht nur auf dem Gebiet der Heulbojen und Bohlenmonster. Sondern auch ein paar Etagen tiefer: Immer wieder gibt es neue Bands, die klassische Achtzigerjahre-Synthies verwenden, wie zum Beispiel The Faint, die dann noch zu allem Überfluss als neuer und junger Rock ’n’ Roll gefeiert werden. Oder es wird mal wieder ein Album rereleased, so wie das einzige aus dem Jahr 1981 stammende von Liasons Dangereuses, auf dem dann wie früher „Los niños del parque“ die höchsten Einschaltquoten erzielt.
Das mit dem Zurückerinnern fing ja schon in den späten Achtzigern an, als die ersten Jahrgangstreffen waren und wehmütig Schulerinnerungen ausgetauscht wurden. Das hatte jedoch noch was, weil man seinerzeit das erste Mal begann, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass mindestens ein Viertel des Lebens schon vorbei war. Ja, dass das richtige Leben nicht mehr bevorstand, wie man das in jugendlich-illusionärer Verkennung bis in die eigenen späten Zwanziger glaubte, sondern schon mitten im Gang war. Ein Stück Lebenshilfe sozusagen. Aber inzwischen darf es auch mal wieder nach vorne gehen, selbst wenn die Renten nicht sicher sind und früher alles so schön und einfach war. Da macht es nicht mal mehr Spaß, Atomkraftwerk-Nein-Danke-Buttons mit Corporate-Rock-Still-Sucks-Aufklebern zu koppeln.
Verstehen kann man ja noch die vielen 15- bis 25-Jährigen, die die Achtziger nur aus dem Kindergarten oder der Vorschule kennen. Die haben was aufzuarbeiten, denen fehlt einfach was. Die mögen vielleicht völlig unbelastet zu „Gone Daddy Gone“ von den Violent Femmes tanzen können. Oder sich interessiert ein Chameleons-Album anhören, das alte Songs im neuen Soundgewand bietet. Oder ein Slowdive-Coverversionen-Album (halt, nein, das sind ja schon die Neunziger!). Unsereins ist das auch so gegangen mit den Sechzigern und auch den Siebzigern. Genau, Velvet Underground. Oder Hawkwind. Mitte der Achtziger war beispielsweise der gesamte britische C-86-Pop Sechzigerjahre-inspiriert, und der gesamte amerikanische Paisley-Underground selbstverständlich auch.
Es kann aber gut sein, dass es mit den Achtzigern immer weiter und weiter geht, denn sie waren das letzte authentische Jahrzehnt. Wer die Neunziger zu recyceln beginnt, recycelt die Sechziger, Siebziger oder Achtziger gleich mit, und das ist nur noch der halbe Spaß. GERRIT BARTELS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen