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themenläden und andere Clubs Prima ausgehen und sparenDavorstehen ist alles

Man hatte es immer geahnt, aber jetzt ist es raus. Vor allem lebenslustige Menschen, die viel ausgehen, Getränke und Speisen außer Hause verzehren, sind die Verlierer der Euroumstellung. Der Finanzminister empfiehlt zwar sogenannte „Euroabzocker“ zu boykottieren, aber wie soll das in unserem empfindlichen, fein verästelten Ausgeh-Mikrokosmos funktionieren?

Auch hier war früher alles besser. Fast jeder betrieb zumindest einmal die Woche einen Club, eine als Galerie getarnte Bar oder sonst eine Kaschemme, reihum besuchte man sich an den jeweiligen Tagen, jeder trank bei jedem umsonst. So kam es, dass man unterwegs praktisch null Ausgaben hatte, als Barbetreiberin natürlich auch nichts verdiente. Alles glich sich aufs Schönste aus, alle waren überall und keiner musste bezahlen.

Heute sieht das leider ganz anders aus, die Gastronomie hat sich professionalisiert, fast überall wird eiskalt abkassiert. Einfach weniger trinken kann kaum die Alternative sein, und der Notbehelf aus Jugendzeiten – Plastiktüten mit im Supermarkt erstanden Getränken in die Disco zu schmuggeln – wirkt bei über 18-Jährigen irgendwie armselig.

Wie aber soll man weiter prima leben und sparen? Da bleiben nur die Alternativen: Zu Hause bleiben oder intelligenter ausgehen. Beim intelligenten Ausgehen steht die schonungslose Selbstbefragung am Anfang: Will ich heute Abend diese anstrengende Band, diese DJs sehen, die ganz toll sein sollen, die aber keiner wirklich kennt? Will ich wirklich Eintritt bezahlen, um in einem stickigen Raum zu stehen und ungekühlte schlecht eingeschenkte Getränke zum Euro-gleich-DM-Preis konsumieren? Ist die Antwort „Nein“, geht die Selbsterforschung weiter.

Auf was kommt es mir eigentlich an? Aufs Rausgehen, auf der Straße rumstehen, Leute treffen, reden, sich irgendwie amüsieren. Da bietet der Sommer genug. Letztendlich ist es doch eine alte Weisheit, dass das Davorstehen das eigentliche Ausgehen ist. Neben jedem tollen Underground Club, Elektrolädchen und Rockkeller unserer Stadt gibt es einen Imbiss, ein vereinsamtes kubanisches Weinlokal oder eine Absturzkneipe. Man bestellt, begrüßt Vorbeigehende, manch einer gesellt sich zu einem, wie das Konzert war, erzählen die Frühheimkehrer, und so hat man den ganzen Abend über en passant alles erfahren, war unter Menschen und hat nichts versäumt. Manchmal will man natürlich auch rein, bei schlechtem Wetter, oder weil man glaubt, es passiere drinnen irgendetwas.

Diese einmaligen Sonderausgaben können nur in Notfällen riskiert werden, übertriebene Eintrittspreise für sattsam bekannten DJs in überfüllten Altbauwohnungen sollten allerdings boykottiert werden. Warum nicht da sparen, wo es am wenigsten weh tut? Wer bei Rauschmitteln den Gürtel nicht enger schnallen will, sollte die Möglichkeit der Sammelbestellung oder die Vorteile der Einkaufskooperativen nutzen, mit einem freundlichen „Hast du mal eine Zigarette, meine Schachtel steckt noch im Automat“ lässt sich auch manch unnötige Nikotinausgabe einsparen. Das einst beliebte, finanziell aber aufwendige Barhopping ist sowieso total out, seit auch die Berliner Polizei dem Trend nacheifert.

Nun wurden erste barhoppende Beamte gesichtet. Ein munter umherschweifendes Einsatzkommandos lief zuerst auf der De:bug-Party, dann im Tora Bora und in der Chausseestraße auf. Die Beamten erzählten, wo sie schon waren, wo die Anlage mitgenommen und wo nur gemahnt wurde, gaben Tips, wo für heute Schluss sei und wo man getrost wieder hingehen könne. Besonders trendy Beamte beschwerten sich über den langen Einsatz, weil sie nach dem Dienst selbst auch noch auf eine Party wollten.

CHRISTIANE RÖSINGER

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