„Ein Rundum-sorglos-Paket“

BESTATTUNGSFORMEN „Memoriam-Gärten“ sind eine neue Spielart hübsch designter Gemeinschaftsgräber. Hamburgs Gartenschau wird einen Mustergarten zeigen

■ 54, führt ein Unternehmen, das Friedhofs- und Grabpflege sowie einen Blumenladen betreibt. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Friedhofsgärtner.

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

taz: Frau Ehlers-Ascherfeld, was ist ein Memoriam-Garten?

Birgit Ehlers-Ascherfeld: Ein gartenähnliches Grabfeld, bei dem man nicht einzelne Gräber im Rastersystem erkennen kann. Stattdessen gibt es eine Gesamtfläche, auf der die Grab-Areale ineinander übergehen. Trotzdem hat natürlich jedes Grab einen eigenen Grabstein, sodass die Hinterbliebenen einen Anlaufpunkt haben. Dort können sie eine Grabvase aufstellen oder Kerzen anzünden. Dabei können Memoriam-Gärten sehr unterschiedlich aussehen: Es kann ein Bauerngarten, ein Hausgarten oder ein Themengarten sein – ein Literatengarten zum Beispiel.

Wer hat das Konzept erfunden?

Das war ein Zusammenspiel vieler Gärtner, die sich über ein solches Konzept Gedanken gemacht haben.

Warum war das nötig? Man könnte doch auch alles lassen, wie es ist: ein Grab neben dem anderen, schön getrennt.

Das könnte man, aber die Bedürfnisse haben sich verändert. Inzwischen wünschen sich viele Menschen – das zeigen Studien – eine naturnahe Bestattung. Sie wollen ihre Gräber nicht mehr in Reih und Glied haben.

Sie könnten sich ja in einem Ruhewald bestatten lassen. Da sind sie der Natur noch näher.

Das könnten sie. Allerdings sind diese Wälder oft schwer zu erreichen und unwegsam. Für ältere, gehbehinderte Menschen mit Rollator oder Rollstuhl ist es sehr mühsam, dorthin zu gehen. Der Memoriam-Garten dagegen liegt auf dem Friedhof, wo es Barrierefreiheit und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel gibt.

Aber wie naturnah ist ein Memoriam-Garten? Er wird ja säuberlich designt.

Das stimmt, aber auch ein Wald wird ja angepflanzt und gepflegt, damit er begehbar ist. Pure Wildnis ist das also auch nicht. Und bei der Konzeption eines Memoriam-Gartens gehen wir selbstverständlich auf den betreffenden Friedhof ein: Wie geschwungen sollen die Wege sein? Was für ein Thema hat ein Memoriam-Garten? Soll es ein mediterraner Garten sein?

Wer entscheidet, ob ein Memoriam-Garten auf einem Friedhof angelegt wird?

Das entscheidet die Friedhofsverwaltung gemeinsam mit der Friedhofsgärtnerei. In einigen Städten muss zusätzlich der Stadtrat entscheiden. Dann wird ein Entwurf gemacht, der auf örtliche Gegebenheiten eingeht: Gibt es zum Beispiel schöne alte Baumbestände, die man integriert – oder ist es eher ein sonniger Friedhof? Jeder Memoriam-Garten wird speziell für diesen Ort geplant.

Wie groß ist ein Memoriam-Garten?

Das variiert. Einige sind 100 Quadratmeter groß, andere 800 bis 1.000 Quadratmeter. Das hängt von den Bestattungszahlen des Ortes ab.

Welchen Vorteil bietet der Memoriam-Garten für Friedhofsverwaltung und -gärtner?

Für die Verwaltung bedeutet diese zusätzliche Bestattungsform eine Erweiterung ihres Angebots, wodurch ihr Friedhof attraktiver wird. Sie bietet den Hinterbliebenen ein Sorglos-Paket, in dem professionelle Grabpflege und Wechselbepflanzung für die Ruhefrist – meist 20 bis 30 Jahre – enthalten sind. Man muss das Grab also nicht pflegen. Und der Memoriam-Garten ist vielseitig: Dort können Sarg- und Urnen-, Einzel- und Partnergräber angelegt werden. Und der Verbraucher sieht, was er kauft, denn die Anlage ist ja schon fertig bepflanzt. Die wird dann am Ort des Grabs kurzfristig weggenommen und später wieder aufgefrischt.

Der Memoriam-Garten ist also insgesamt teurer als ein selbst zu pflegendes Grab.

Ja.

Bietet der Garten trotzdem Gestaltungsspielraum – etwa bei der Wahl des Steins?

Es gibt natürlich konzeptionelle Vorgaben, aber die sind verschieden streng und hängen vom jeweiligen Konzept ab.

Sie sagen, der Memoriam-Garten liege im Trend. Trotzdem gibt es bundesweit erst 16. Das ist nicht viel.

Nein, aber dafür, dass das Idee noch jung ist, finde ich es schon beachtlich. Hinzu kommt, dass die Einrichtung eines Memoriam-Gartens eine Lizenzgebühr kostet. Die sparen sich viele Friedhofsgärtner. Sie machen etwas Ähnliches, nennen es aber nicht Memoriam-Garten, sondern Garten der Erinnerung oder Bestattungsgarten.

Sie werben damit, dass die Friedhofsverwaltungen und die Kommunen durch Memoriam-Gärten Kosten sparen. Welche?

Vor allem Verwaltungskosten. Denn da der Garten permanent verlässlich gepflegt wird, müssen keine Angehörigen angeschrieben werden, weil sie sich nicht oder zu wenig kümmern.

Man spart also Porto.

Ja. Und dadurch, dass es keinen Zwischenraum zwischen den Gräbern gibt, braucht dort außerdem kein Rasen gemäht zu werden

Auf der Hamburger IGS, die am 26. April 2013 öffnet, wird es einen Memoriam-Garten geben. Wie wird er aussehen?

Es wird ein von Friedhofsgärtnern gestalteter Mustergarten sein, der für die dortige einstige Friedhofsfläche konzipiert wird.

Welches ist Ihr Part?

Ich habe ihn geplant und werde die Koordination der Ausführung überwachen.

Ist es ein Themengarten?

Letztlich ja. Denn da wir in Hamburg sind, werden wir natürlich das Thema Wasser im weitläufigsten Sinn aufgreifen, und zwar in Form des Mäanders. Außerdem werden wir Grabmale in Form von Booten haben.

Gibt es einen Hamburger Friedhof, auf dem bereits ein Memoriam-Garten geplant ist?

Meines Wissens nicht.

Internationale Gartenschau (IGS) Hamburg: 26. 4. bis 13. 10. 2013, Elbinsel Wilhelmsburg