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taz-olympiakrimi: im schatten der ringeKapitel 9: In dem knallhart verhört wird

Ermittlungen beim Hauptgang

Was bisher geschah: Eine brandheiße Spur im Fall der ermordeten Brüder Thomas und Samuel Kiwabaki – der eine IOC-Mitglied, der andere sein potentieller Nachfolger – führt Wayne Bruce, Chef der Task Force „Olympische Verbrechen“, zu einem afrikanischen Restaurant. Zuvor hat er noch einen Termin mit dem australischen IOC-Vizepräsidenten Kevan Gosper.

Gosper empfing ihn mit jenem süßlichen Lächeln, das er garantiert auch aufgesetzt hatte, als er die Organisatoren des olympischen Fackellaufes überredete, seine Tochter anstelle eines armen, enttäuschten griechischstämmigen Mädchens die Flamme auf australischen Boden tragen zu lassen. „Gauner“ und „Unmensch“ waren damals noch die schmeichelhaftesten Bezeichnungen gewesen, die ihm die australische Presse verlieh. Nun ging man wieder ein wenig freundlicher mit ihm um. Man erwähnte ihn kaum noch.

Im Gespräch mit Gosper bekam Bruce eine kleine Lektion in Sachen IOC-Informationspolitik verabreicht. Nur das zugeben, was absolut nicht bestritten werden kann, lautete seit langem deren oberste Devise. „Kannten Sie die Kiwabakis näher?“ – „Nein, nein, nur ganz flüchtig.“ – „Aber Samuel hat mir erzählt, dass sie die Familie mehrfach in Botswana besucht und dabei von ihren Erlebnissen als Ruderer 1956 in Melbourne erzählt hätten.“ – „Aah, das waren Zeiten. Nach 500 Metern lagen wir knapp in Führung und ...“ – „Waren Sie?“ – „Was?“ – „In Botswana.“ – „Vielleicht ein, zwei Mal.“ – „Kiwabaki sprach von fünf, sechs Mal.“ – „Möglich, ich erinnere mich nicht.“ – „Was wollten Sie dort?“ – „Nun, als IOC-Vizepräsident kümmert man sich eben um die Mitglieder.“ – „Sie besuchen regelmäßig alle 120 IOC-Mitglieder?“ – „Na ja, nicht alle.“ – „Herr Gosper, hatten Sie geschäftlich mit Thomas Kiwabaki zu tun?“ – „Nicht dass ich wüsste.“ In diesem Stil ging es weiter. Das Einzige, was Bruce herausfand, war, dass Kevan Gosper offenbar ein miserables Gedächtnis hatte. Zu gern hätte er den Mann in Beugehaft gesteckt. Nach dieser Strapaze freute sich der Hauptkommissar auf das Abendessen mit Kriminalassistentin Wade im „Le Kilimanjaro“. Das Restaurant, auf das ihn eine im Besitz von Samuel Kiwabaki befindliche Streichholzschachtel gebracht hatte, die ihm von einem weiteren IOC-Vizepräsidenten, Dick Pound, übergeben worden war, lag in der King Street in Newtown, direkt gegenüber einer Hauswand, auf die ein riesengroßer Martin Luther King gemalt war. Bruce war lange nicht mehr in dem Szeneviertel gewesen, in dem er während seiner Studienzeit sogar gewohnt hatte. Damals hatte es allerdings anders ausgesehen. Sydney war noch ein provinzielles, ödes, kulturloses Kaff gewesen, geprägt von angloaustralischer Lebensart, also ohne Lebensart. In den letzten fünfzehn Jahren hatte sich das massiv geändert, vor allem seit dem Olympia-Zuschlag. Sydney war bezüglich Glamour, multikultureller Buntheit und kreativem Ambiente rasant an Melbourne vorbeigesaust. Bruce war diese Entwicklung als gebürtigem Engländer nicht geheuer, die kulinarische Vielfalt wusste aber auch er zu schätzen. In der King Street reihten sich indische, thailändische, tibetische, italienische Restaurants aneinander, und Catherine Wade hatte Recht gehabt: Das Soussou-Soussou im „Le Kilimanjaro“ war ein Gedicht.

Beim Essen unterhielten sie sich natürlich über Olympia, den australischen Medaillenrausch und Catherine Wades bewegtes Familienleben. „Begeisterung, schön und gut“, mäkelte Bruce, „aber dass sich erwachsene Menschen die Haare grün und gelb färben, muss doch nicht sein.“ – „Ich habe Pat auch gesagt, dass ich das übertrieben finde, aber er war nicht davon abzubringen, er hatte sogar eine Packung Färbemittel für mich besorgt.“ – „Und? Wie haben Sie Ihren werten Gatten daran gehindert, Ihnen das Zeug auf den Kopf zu klatschen?“ –„Ich habe gesagt, dass Sie mich dann feuern.“ – „Richtig.“ – „Jetzt hält er Sie für einen schlechten Australier.“ – „Das bin ich auch. Aber ich glaube, es ist langsam Zeit, an die Arbeit zu gehen.“ Wayne Bruce rief den Kellner. Und der hatte eine saftige Überraschung parat.

MATTI LIESKE

Fortsetzung folgt

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