taz-olympiakrimi: im schatten der ringe: Kapitel 11: In dem Wayne Bruce CIA-Kontakte macht
King Street Ecke Queen Street
Was bisher geschah: Dringend gesucht wird ein falscher Polizist und mutmaßlicher Profikiller, der mit dem toten Botswaner Samuel Kiwabaki in einem Restaurant gesehen wurde und wahrscheinlich auch dessen Bruder, IOC-Mitglied Thomas, auf dem Gewissen hat.
„Ich glaube, wir haben ihn“, frohlockte Sergeant Wong durchs Telefon, um dann etwas kleinlauter hinzuzufügen: „Zumindest seine Adresse.“ – „Ich komme selbst“, schrie Chefermittler Wayne Bruce begeistert und ertappte sich dabei, wie er ein paar Sekunden Luftgitarre spielte, ähnlich der australischen Schwimmstaffel mit Thorpe und Klim, als sie die Yanks abgeledert hatten. „Ich sollte weniger Olympia schauen“, dachte Bruce, als er aus dem Raum schoss.
Der Besitzer eines der vielen Antiquariate in Newtown hatte den Gesuchten auf der Phantomzeichnung erkannt und wusste zufällig, dass er in einem adretten hellblauen Haus, King Street Ecke Queen Street, wohnte, direkt über einem Laden für Inneneinrichtungen namens Citizen Kane. „By the pricking of my thumbs, something wicked this way comes“, murmelte der Kommissar, der aus obskuren Gründen bei Orson Welles immer an Macbeth denken musste, nie an Marsmenschen. Der Verdächtige war als gefährlich einzustufen, deshalb hatte Bruce ein Sondereinsatzkommando herbeordert.
Das hätte er sich getrost sparen können. Als er die fachmännisch, also ohne sich gegenseitig zu erschießen, gestürmte Wohnung betrat, fand er sie komplett leer vor. „Da soll mich doch der Wald von Birnam treffen“, dachte Bruce enttäuscht, hoffte aber wenigstens, die Identität des Geflüchteten herauszubekommen. Alle in der Wohnung befindlichen Fingerabdrücke konnte er unmöglich beseitigt haben, auch wenn er seine Behausung offensichtlich einer gründlichen Reinigung unterzogen hatte, bevor er entschwunden war.
„Ein Athlet kann es also nicht sein“, sagte Bruce mit sarkastischem Grinsen zu Wong, der ihn noch verständnisloser als sonst anblickte. „Haben Sie denn nicht gelesen, dass es sich bei der Blüte der athletischen Weltjugend offenbar um eine Bande gefräßiger Dreckspatzen handelt?“, fragte der Hauptkommissar und klärte den Sergeant geduldig darüber auf, dass die Sportler schon in der ersten Woche sämtliche für die gesamten Spiele gedachten Fressalien im Olympischen Dorf vertilgt hatten, dass sie überall benutzte Spritzen herumliegen ließen – angeblich Vitamine – und dass das Reinigungspersonal nach wenigen Tagen wegen des katastrophalen hygienischen Zustandes der Zimmer mit Streik gedroht hatte. „Stellen Sie sich ein Haus voller Männer vor“, hatte eine Putzfrau gesagt, „dann stellen Sie sich das schlimmste aller Szenarien vor und dann verdreifachen Sie es.“
Als Bruce ins Revier kam, fing ihn Priscilla an der Tür ab. „Da ist ein großer, kräftiger Schwarzer in ihrem Büro“, erklärte die Sekretärin sichtlich beeindruckt, „er ließ sich einfach nicht abwimmeln.“ Beeindruckt war auch Bruce, als er den Mann sah, der sich mit einem simplen „Johnson“ vorstellte. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es handelte sich um jenen Rafer Johnson, der 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom den Zehnkampf gewonnen hatte, der 1984 in Los Angeles die Olympische Flamme entzünden durfte und der sich nun, das hatte Bruce gelesen, in Sydney aufhielt, weil seine Tochter Jenny Johnson Jordan im Beachvolleyball antrat. Darüber hinaus hatte der jetzt 65-Jährige 1968 Robert Kennedy im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt und war derjenige gewesen, der dem Attentäter Sirhan Sirhan die Waffe entrissen hatte, nachdem dieser Kennedy erschossen hatte. Jetzt saß dieser Rafer Johnson einfach so im Büro von Wayne Bruce und wartete offenbar darauf, dass der Kommissar ihn fragte, was ihn herführte.
„Was führt Sie her?“, fragte Bruce. Johnson schmunzelte. „Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, was die CIA ist.“ MATTI LIESKE
Fortsetzung folgt
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