taz lab 22 – Von der Klima- zur Klassenfrage: Auch die im Dunklen

Keine Klima­transformations­politik ohne die Bearbeitung der Klassenfrage. Ein taz-Kongress über neue-alte Ungerechtigkeiten und die Relevanz von Brecht beim Kampf gegen die Klimakrise.

Das taz-lab-Team vor dem Redaktionsgebäude der taz

Das diesjährige taz-lab-Team erstrahlt in neuer Pracht – von links nach rechts Oben: Sina Aaron Moslehi, Aaron Gebler, Jana Haver, Laura Sauer, Willi Vogelpohl, Clemens Haucap, Henning Ziegler, Peter Rohrmann, Jan Feddersen. Mitte: Sophie Sandig, Nisa Eren, Anastasia Tikhomirova, Luisa Faust, Ehmi Bleßmann, Vincent Bruckmann, Mareike Barmeyer. Vorne: Raoul Spada und Cindy Adjei. Nicht im Bild: Shayna Bhalla, Emmanuel Noglo und Lasse Voß. Foto: Anke Peters / taz

Von JAN FEDDERSEN

taz lab, 20.01.22 | Wenigstens spitze Mienen erntet man, spricht man nur dieses Faktum an: Die Szene, die „Fridays for Future“ verkörpert, steht keinesfalls für die gesamte heranwachsende Jugend.

Was man bei den Fellows der schwedischen Schülerin Greta Thunberg sieht, ist eine grundsätzlich gymnasiale Aura. Berufsschüler:innen, die etwa Stylist:innen, Zimmerleute oder Müllwerker:innen werden wollen oder Mechatroniker:innen, Metzger:innen und Krankenpfleger:innen, sieht man auf diesen Demos, die sie „Klimastreiks“ nennen, jedoch nicht.

Das ist, bitte kein Missverständnis, keine Kritik an lautstarken Äußerungen zur mangelnden Klimatransformationspolitik, sondern nur eine nüchterne Beschreibung: Wer da lärmt und demonstriert, wer dort fette Performances in Tönen und Bildern in den Nachrichtensendungen findet, zählt zu einer anderen Schicht als jene, die dort nicht mit von der Partie sind.

Mit Bertolt Brecht könnte man sagen: Und die im Dunkeln, die sieht man nicht.

Das Thema: Klima und Klasse!

Das taz lab 2022 wird sich diesen, deutlich gesagt, klassenspezifischen Fragen widmen: „Klima und Klasse“ ist das Thema, unterfüttert mit zwei je als Frage formulierte Unterzeilen: „Wer hat so viel Geld?“ und „Wer soll das bezahlen?“

Die Älteren unserer lesenden taz-Community werden bei diesen erläuternden Zeilen unschwer den Uraltkarnevalsschlager von Jupp Schmitz erkennen: Dem melancholisch-untertänigen des Liedes zum Trotz darf, ja, muss jetzt gesagt werden: Wie will die grün und damit mittelschichtig strukturierte Klimatransformationsbewegung den Satz beantworten, dass man sich einen klimafreundlichen Lebensstil auch leisten können muss?

Man muss jede:n mitnehmen!

„Klima und Klasse“ heißt für uns in diesem taz-lab-Jahr, uns auch kulturell auf die Frage der strukturellen Schichtungen einzulassen: Zeugt nicht die vom Soziologen Andreas Reckwitz ausformulierte Beobachtung, alte Mittelschichten stünden sich inzwischen neuen Mittelschichten gegenüber, welche wir einerseits in Anhängern von CDU und FDP verkörpert sehen und andererseits in denen der Grünen, der Linken und der SPD, von der vollständigen Ignoranz gegenüber den prekär beschäftigten, lohnabhängigen Klassen von der Verachtung für diese Menschen?

Wo bleibt das echte Mühen der Fridays-for-Future-Szene um jene, die nicht vom Lebensstil her auf die Haltung des Interessantismus setzen

Drastischer: aufstiegsgierig, lecksicher nach oben und trittsicher nach unten?

Wo bleibt das echte Mühen der Fridays-for-Future-Szene um jene, die nicht vom Lebensstil her auf die Haltung des Interessantismus setzen und nichts als „normal“ (und zugleich außergewöhnlich) sein wollen? Für Leute, die nicht fürs Abitur gefeiert werden (können), weil sie keine akademischen Berufe ergreifen wollen?

Was Sie erwartet

Auf dem taz lab 2022 werden wir Gewerkschaften und ihre Kämpfe und Nöte kennenlernen. Und dass sie sich einer Politik der Klimatransformation sehr wohl bewusst sind, nur eben nicht zum Preis der Deindustrialisierung.

taz lab 2022 – Klima & Klasse, am 30. April 2022 ab 08.30 Uhr live im Stream auf tazlab.de

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Das Programm des taz lab 2022 finden Sie hier.

Außerdem wöchentliche Berichte in der taz am Wochenende, im taz-lab-Infobrief und auf unserem Portal.

Fragen, Wünsche, Feedback – schreiben Sie uns: tazlab@taz.de

Wir wertschätzen Veganer:innen und signalisieren zugleich: Wer gern Fleisch isst und industriezuckrige Limonaden trinkt, wird bei uns nicht von einer Lebensstilpolizei behelligt.

Nebenbei: Von Marx und Marxistischem, von anderem theoretischem Zeug wird ebenfalls viel die Rede sein. Anstrengendes auch, da wollen wir nicht zimperlich sein.

Wir freuen uns auf Sie und euch: Wir bereiten ein auch kulturell irritationsfähiges taz lab vor. Nichts schwerer als das – und für uns nichts leichter.

Jan Feddersen ist Kurator des taz lab und taz-Redakteur für besondere Aufgaben.