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taz-Wahlokal: VerkehrspolitikNicht alle Wege führen zum Ziel

Die Verkehrsplaner gönnen den Radlern Berlins zunehmend eigene Spuren. Doch gut gemeint ist nicht gut gemacht, wie sich am Beispiel Rosenthaler Platz zeigt.

Mal Licht, mal Schatten: Radwege in Berlin Bild: dpa

Die Reise nach Prenzlauer Berg endet vor einer Litfaßsäule. Zumindest für alle Radfahrer, die von Mitte aus die Route über den Rosenthaler Platz nehmen und sich nach der Einfahrt in den Weinbergsweg an die Straßenmarkierung halten. Zehn Meter nachdem die Markierung von der Straße auf den Bürgersteig führt, hört sie vor besagter Säule einfach auf, mitten auf dem Gehweg zwischen den wuselnden Menschenmassen.

Radfahrer, die auf ihrem durch ein kleines Straßenschild gewährten Recht bestehen, trotzdem weiterzufahren, droht nun ein Spießroutenlauf durch schimpfende Passanten und viele Rollkoffer - dem Hotel an der Ecke sei Dank. Alle anderen müssen klein beigeben, absteigen und schieben. Und das, nachdem sie sich kurz vorher am südlichen Ende des Platzes noch wie völlig gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer hatten fühlen dürfen.

Dort, wo die Rosenthaler Straße in den gleichnamigen Platz mündet, wurde für Radfahrer im Frühjahr ein ausgeklügeltes Wegenetz auf den Asphalt gepinselt. Wie Autos auf einer Autobahnzufahrt müssen sie sich einreihen und werden über die Kreuzung und in die sich anschließenden Straßen geleitet. Während das Abbiegen in die Torstraße in beide Richtungen tatsächlich recht problemlos möglich ist, endet die Reise in den Weinbergsweg wie beschrieben. Bei der Einfahrt in die Brunnenstraße kann es sogar richtig gefährlich werden.

taz-Wahllokal

Wem gehört die Straße? Autos versus Busse, Radfahrer versus Fußgänger? Darüber diskutieren am Mittwoch ab 19.30 Uhr Claudia Hämmerling (Grüne), Oliver Friederici (CDU), Christian Gaebler (SPD), Kerstin Finkelstein (ADFC) und Willi Loose (Bundesverband Carsharing) im taz-Wahllokal, der Debattenreihe zur Abgeordnetenhauswahl im taz-Café. Dieses Mal wird die Runde von taz-Redakteurin Kristina Pezzei moderiert.

Es ist der dritte von fünf Themenabenden, die bis zum 18. September immer mittwochs in der Rudi-Dutschke-Straße 23 stattfinden. Alle Termine, alle TeilnehmerInnen unter www.taz.de/veranstaltungen. Zudem kann man unter taz.de/zeitung/tazinfo/videos/ Aufzeichnungen der Diskussionsrunden ansehen.

Wer sich dort, der Markierung folgend, am rechten Straßenrand hält, fährt zunächst auf die parkenden Autos auf, die sich ein paar Meter hinter der Kreuzung an den Rand drücken. Nun müsste man sich links in den fließenden Verkehr einreihen, aber der braust so dicht und schnell an den parkenden Wagen vorbei, dass man als Radfahrer damit besser bis zur nächsten Rotphase für die Autos wartet. Zumal auf der Brunnenstraße auch Tramgleise liegen, in die ein Radreifen schnell mal rutscht, wenn es hektisch wird. Sichere Verkehrsführung sieht anders aus.

Dabei haben sich die Verkehrsplaner in diesem Fall eigentlich wirklich große Mühe gegeben, die Radfahrer ernst zu nehmen und ihnen einen angemessen großen Raum von der Straßenfläche zuzugestehen. Doch gut gemeint ist eben nicht gut gemacht, und wenn ein Radweg, auf dem man sich eben noch sicher fühlte, plötzlich im Nirgendwo endet, ist das manchmal gefährlicher, als wenn Radler und Autofahrer sich die Straße teilen müssen und, sich dessen bewusst, Rücksicht aufeinander nehmen.

Dieter Wagner arbeitet in der Abteilung Verkehr der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und ist für die Planung und Gestaltung von Straßen und Plätzen zuständig. "Vor einigen Jahren haben wir die Ampelstruktur am Rosenthaler Platz umgestaltet", erzählt er. Dabei sei es jedoch vor allem darum gegangen, die Automassen, die jeden Tag den Platz passieren, möglichst schnell und gefahrenfrei durchzuschleusen. Die Radfahrer seien dabei gar nicht berücksichtigt worden. Das habe man nun vor einigen Monaten nachgeholt; seitdem gebe es die beschriebene Situation. "Herausgekommen ist ein Kompromiss, der offensichtlich noch Verbesserungsbedarf aufweist."

Die Gefahren in der Brunnenstraße könne man mit ein wenig Farbe recht einfach beseitigen, meint Wagner. Schließlich sei die Straße breit genug für fahrende und parkende Autos sowie Radfahrer. "Das Problem ist, dass die Autofahrer schon bei der Einfahrt in die Brunnenstraße auf den Tramgleisen fahren sollten ", sagt er. Da die Straße aber an ihrer Einmündung am Rosenthaler Platz noch breit genug sei, um neben den Gleisen zu fahren, machten die Autofahrer das auch. Dadurch kämen die Radler am Rand in Bedrängnis. "Ich werde das Problem mit der Verkehrslenkung besprechen. Mit eindeutigen Markierungen könnte man die Autos von Anfang an auf die Gleise leiten", meint er.

Auch für die verunsicherten Radler vom Weinbergsweg hat Wagner Hoffnung. "Derzeit endet der Radweg so unverhofft, weil dort noch eine Baustelle ist", erklärt er. Sobald diese verschwunden sei, werde der Radweg durchgehend gekennzeichnet. Dieser werden dann auch mit der Markierung verbunden, die schon jetzt wie aus dem Nichts auftauchend einige hundert Meter die Straße weiter hoch vom Bürgersteig zurück auf die Straße führt.

"Wir versuchen einiges zu tun", meint Wagner entschuldigend. Aber Verkehrsführung sei nun mal immer ein Abwägen von Interessen - und mit Autos, Radlern, Fußgängern, Trams und Bussen seien eben die Bedürfnisse vieler zu berücksichtigen. Wie schwierig das manchmal ist, sehe man auch am Beispiel der neuen Haltestellenkaps für Trams, wie sie seit einiger Zeit in Berlin gebaut würden. Diese vorgebauten Bürgersteige, die ein ebenerdiges Einsteigen ermöglichen, seien zwar endlich barrierefrei, indem sie am Anfang und Ende der Haltestelle abgesenkt sind, dafür gebe es aber ständig Ärger, weil auch die Radwege über sie und damit mitten durch die wartenden Tramgäste führten. "Wir probieren aus, sammeln Erfahrungen und versuchen es dann in Zukunft besser zu machen", sagt Wagner. Jedoch könnten selbst erkannte Problemstellen nicht immer gleich beseitig werden, da auch das Verkehrsbudget begrenzt sei. Da müssten die verschiedenen Verkehrsteilnehmer eben mehr Rücksicht aufeinander nehmen.

Oder einfach die Gefahrenstellen meiden. Statt über den Rosenthaler Platz kann man als Radler wesentlich entspannter über die Linienstraße und die Choriner Straße von Mitte nach Prenzlauer Berg gelangen. Dort hat man bei der Verkehrsoptimierung nicht zuerst an die Autofahrer, sondern an die vielen Radfahrer der Stadt gedacht und beide zu Fahrradstraßen erklärt.

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4 Kommentare

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  • BM
    Ben M.

    Die gesammte Fahrradführung im PB ist eine Zumutung für Fahhradfahrer. Schlimmer gehts nicht. Das die Verwaltung eine Fahrradfahrersicht für sich deklariert, ist eine zynische Frechheit. Der nächste Unfall mit Todesfolge ist z.b in der Schönhauser Alle in der jetzigen Form unvermeidbar. Das gilt auch für die Stunts, die Fußgänger oder FR Fahrer in der gesammten Umgebung auf den gemeinsamen Gehweg; Fahrradstreifen in den Gesammten Bereich Mauerpark, U Bahn Eberswalterstr. vollziehen müssen, um nicht umgefahren zu werden, bzw. jemanden umzufahren. Meine Kinder haben in PB Fahrradverbot auf den Fahrradstreifen. Es sollten die Plätze an denen Unfälle und Tode aufgrund von solch zynischer Sicherhheitsplanung der Verwaltung stattfinden,mit den Namen derer sympolisch umbenannt werden, die für diese zyniche Gülle verantwortlich sind. Weg vom anonymen Beamten, der keinen Namen hat.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Ich fahre nur mit dem Auto und empfinde gegenüber RadfahrerInnen nichts als Verachtung.

  • W
    wossi

    Es mag zwar nach Pauschalurteil klingen, aber an der schludrigen Verkehrsplanung oder abenteuerlichen Baustellenlösungen kann man als Fußgänger oder Radfahrer auch heute noch erkennen, dass man sich im ehemaligen Ostteil der Stadt befindet, denn solche Schlamperei kenne ich in Berlin wirklich nur dort. Vielleicht wurden den dort verantwortlichen Abteilungsleiter nur die damals übliche Plattenbau-Prachtstraßenplanung eingebläut - jetzt bräuchten sie dringend eine Nachschulung in der Planungspraxis für den Fuß- und Radverkehr im realexistierenden Großstadtgewimmel.

  • R
    RominaJakubek

    Schöner Artikel. Eines stimmt nicht: Dass bei der Einrichtung der Linienstraße als Fahrradstraße zuerst an die Radfahrer gedacht worden sei. Wesentlich ist sie die Entlastungsstraße für die Torstraße, damit dort weniger Radler den ungehemmten Autoverkehr stören. Vorfahrt hat die Fahrradstraße nicht eingeräumt bekommen - es gilt immernoch rechts vor links. Und an vielen Tagen hat man das Gefühl, der gesamte Liefervekehr für die Torstraße werde immernoch hier entlang geführt (Anlieger frei, inklusive LKW).