taz-Übersetzungshilfe für´s Sparpaket: Tricksen, täuschen, schönrechnen
Die Spekulationen haben begonnen, was dachte sich Schwarz-Gelb eigentlich? Die insgeheimen Botschaften hinter dem Sparpaket der schwarz-gelben Regierungskoalition.
Am Tag nach der Sparklausur begann in Berlin das große Zerreden. Die Fraktionen von CDU, CSU und FDP erklärten am Dienstag, dass die Regierungsbeschlüsse für sie noch nicht das letzte Wort sind. Die Opposition protestierte sowieso. Aber was dachte sich die schwarz-gelbe Koalition bei ihren Aussagen? Die taz liefert eine Übersetzungshilfe.
Wir haben das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. So viel mehr als bei Rot-Grün oder der großen Koalition ist es nun auch wieder nicht. Selbst mit einigen Rechentricks schaffen wir bis 2014 nur 26,6 Milliarden Euro. Das ist weniger als die 32,4 Milliarden Euro, die uns die Schuldenbremse vorgibt. Und viel weniger als die 40 Milliarden Euro, von denen unser Finanzminister für die nächsten vier Jahre mal gesprochen hat. Macht aber nichts. Wir rechnen das Geld, das wir dieses Jahr gespart haben, im nächsten Jahr einfach noch mal mit. Im übernächsten wieder und im überübernächsten auch. Das ist zwar ein ganz fieser Rechentrick, aber dann kommen wir am Ende auf 80 Milliarden Euro. Das hört sich doch viel besser an.
Der Staat kann nur da sparen, wo er auch viel ausgibt. Also im Sozialen. Warum Arbeitslose das Elterngeld bekommen, das Berufstätigen die Entscheidung fürs Kind erleichtern soll, hat sowieso keiner verstanden. Und den befristeten Zuschlag, den Hartz-IV-Empfänger nach dem Ende des Arbeitslosengeldes I bekommen, wollten wir damals auch nicht. Gönnen wir Guido Westerwelle also den kleinen Erfolg im Kampf gegen seine spätrömische Dekadenz. Hauptsache, bei den Rentnern müssen wir nicht kürzen. Das war schließlich schon immer die wichtigste Wählergruppe der Union, und sie wird in Zukunft immer wichtiger. Und die Renten für Langzeitarbeitslose laden wir lieber gleich bei den Kommunen ab. Die müssen nämlich die Grundsicherung übernehmen, wenn wir keine Rentenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger mehr zahlen.
Wir haben die Bildung verschont und beim Elterngeld nur ganz wenig gekürzt. Jede Kürzung bei der Bildung hätte so ausgesehen, als würden wir Roland Koch nach seinem Rücktritt auch noch Recht geben. Und was das Elterngeld betrifft: Leider mussten wir Ursula von der Leyen vorige Woche bei der Präsidentschaftskür ins Messer laufen lassen, da können wir nicht auch noch ihre Politik aus der letzten Wahlperiode dementieren. Schade eigentlich. Denn für die Geburtenrate hat diese Subvention nichts gebracht.
Wir verzichten auf den Bau des Berliner Stadtschlosses. Ein bisschen Symbolpolitik muss doch erlaubt sein. Schließlich hat schon der Berliner Bürgermeister sein Sparprogramm durchbekommen, indem er so tat, als wolle er bei den Opern kürzen. Wer bei Schlössern und bei Opernhäusern streicht, der hat ein Herz für kleine Leute. Finanziell fällt das zwar überhaupt nicht ins Gewicht, aber den Unterschied zwischen einer einmaligen Baumaßnahme und einem strukturellen Defizit versteht sowieso keiner.
Wir erhöhen den Steuerzuschuss für die Krankenkassen. Das hätte noch gefehlt, dass uns der Rösler jetzt auch noch abhandenkommt. Eine Woche ohne Rücktritt ist ja auch schon ein hübscher Erfolg. Dass auf einmal alle Welt Joachim Gauck als Präsidenten haben will, hat uns zwar ziemlich überrumpelt, aber der Hype hat auch sein Gutes: Es hat kaum jemand mitbekommen, dass wir mit unserer Gesundheitsreform gescheitert sind. Da werden sich CSU und FDP so schnell nicht einigen.
Wir sparen 2 Milliarden Euro bei der Bundeswehr. Beim Militär zu sparen ist fast so gut, wie die Spitzensteuer zu erhöhen: Es gibt dem Sparpaket einen ausgewogenen Anstrich. Außerdem wollten wir die Bundeswehr sowieso längst in eine Interventionsarmee umbauen. Mal sehen, wie weit der Karl-Theodor damit kommt. Wenn er sich dabei eine blutige Nase holt und seine Beliebtheitswerte ein bisschen sinken, dann schadet es ja auch nichts.
Wir beteiligen die Wirtschaft und schützen die Umwelt. Die Ausnahmen bei den Energiesteuern abzuschaffen und den Luftverkehr zu besteuern, das hat nicht mal Rot-Grün gewagt. Sehr schön, es erhöht den Aha-Effekt. Außerdem muss Westerwelle lernen, dass er nicht zu allen Mehreinnahmen Nein sagen kann, wenn er schon seine Besserverdienenden schonen will. Und die Verlängerung der Atomlaufzeiten erleichtert es auch, wenn wir vorher noch mal zeigen, dass wir es mit dem grünen Gewissen wirklich ernst meinen.
Wir schauen mal, ob wir in den Haushaltsberatungen noch die eine oder andere Milliarde drauflegen können. Blöd, dass der Köhler vorige Woche zurückgetreten ist. Jetzt gibts am 30. Juni schon wieder eine Wahl, und wir brauchen leider die Stimmen von der FDP. Deshalb konnten wir am Wochenende noch keine Steuererhöhungen beschließen. Macht aber nichts. Aus diesem Grund haben wir als Union unsere Fraktionsleute ja nicht zur Sparklausur geschickt. Dann können wir bei den Haushaltsberatungen im Herbst immer noch den Spitzensteuersatz erhöhen oder die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer streichen. Vielleicht sogar bei den Hotels, wenn die CSU mitmacht.
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