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Kritik am Humboldtforum Berlin Krieg den Palästen

Ein Podium zur Initiative „Schlossaneignung “ diskutierte das wiederaufgebaute Stadtschloss in Berlin. Das Gespräch kam schnell ins Rollen – und nicht mehr zum Stopp.

Vereinsmitglieder in preußischer Militäruniform an den Tagen der offenen Baustelle im Humboldtforum. Foto: dpa | Stephanie Pilick

Für die komplexe Thematik rund um den „Wiederaufbau“ der Schlossattrappe namens Humboldtforum war eigentlich ein Zeitraum von einer Stunde vorgesehen. Viel zu wenig, wie sich beim taz Talk „Krieg den Palästen“ schnell zeigte. Live im Stream aufeinander trafen am Mittwochabend, 06. November 2024, Agnieszka Pufelska, Christoph Balzar und Fabian von Ferrari, allesamt aus den Reihen der Initiative „Schlossaneignung“, sowie der Pressesprecher des Humboldtforums, Michael Mathis.

Die Initiative „Schlossaneignung“, ein Zusammenschluss von Historiker:innen, Künstler:innen und Architekt:innen, fordert aktuell per Bundestagspetition eine kritische Intervention am Nachbau des Berliner Stadtschlosses und eine Aufarbeitung des Wiederaufbaus. Warum sie diese für nötig halten, wurde in einer rasch sehr hitzigen Diskussion schnell deutlich: Die Initiator:innen der „Schlossaneignung“ prangerten das koloniale Erbe Preußens und die Problematik der Glorifizierung eines ungebrochenen Deutschlands in preußischer Tradition scharf an. Humboldforum-Pressesprecher Mathis versuchte geduldig und gründlich auf die dekolonialen Errungenschaften des noch jungen ethnologischen Museums mit selbstkritischem Ansatz hinzuweisen.

Einig waren sich alle, dass die Schlossfassade ein problematisches Gehäuse für einen im Grunde progressiven musealen Apparat darstellt. Vonseiten der Kritiker:innen wurde darauf verwiesen, dass gerade die systemischen Zusammenhänge rund um den musealen Bestand und die rechtslastige Spenderschaft Teil des Problemkomplexes sind – während der HuFo-Sprecher seine Institution vom größeren Kontext abzutrennen versuchte und auf die komplexe Position verwies, die das Museum durch seinen staatlichen Auftrag einzunehmen hat. Man sei jedoch sehr interessiert an kritischer Aufarbeitung, zivilgesellschaftlichem Engagement und kollaboriert mit Künstler:innen und Wissenschaftler:innen aus indigenen Kulturen aus aller Welt.

Zivilgesellschaftliches Engagement ist exakt, was die Initiator:innen der „Schlossaneignung“ betreiben und dafür die Bundestagspetition und einen Ideenwettbewerb zur künstlerischen Intervention am bzw. im Gebäude losgetreten haben (nachzulesen im taz Blog der Initiative).

Eine dieser Ideen stellten Balzar und von Ferrari ihr Konzept „Museum des Kolonialismus“ vor. Das Duo fordert in ihrem minimalinvasiven Entwurf, den ethnologischen Blick auf Deutschland, dessen imperiale Geschichte und Gegenwart zurückzulenken. Dafür ist das Berliner Schloss just der adäquate Ort, denn es fungiert selbst als zeitgeschichtlicher musealer Gegenstand.

Als die Kameras nach einer Stunde abstellten und der Talk offiziell beendet war, blieb noch viel zu sagen. Rund eine halbe Stunde diskutierten die Teilnehmenden weiter und fanden mehr und mehr gemeinsamen Boden.

Der Pressesprecher verwies darauf, dass viele der Forderungen vonseiten der Initiative aktuell auch unter den Mitarbeitenden zirkulierten. Ein interner Brief an die Museumsleitung hat kürzlich für medialen Rummel gesorgt und zeigt die konfrontative Arbeitskultur und Heterogenität innerhalb des Betriebs auf.

Das Humboldtforum hat zudem angekündigt, bald selber einen Ideenwettbewerb auszuschreiben, der sich mit kritischen Initiativen auseinandersetzen will. Die geladenen Gäste verblieben dabei, nicht zuletzt mit dieser Aussicht, im Austausch zu bleiben. Das ist ein Gewinn für das HuFo – und das Initiativkomitee. Es lebe der Austausch!