taz-Sommerserie Nah am Wasser: Schicht für Schicht zum neuen Eis
In den Trainingshallen im Sportforum Hohenschönhausen machen Eismeister aus Wasser den passenden Untergrund für Eiskunstlauf oder Eishockey.
Im Wellblechpalast im Sportforum Hohenschönhausen, dort wo normalerweise die Eisbären trainieren, ist das Eis abgetaut. Auf dem Betonfußboden sind nur ein paar Pfützen übrig geblieben. Das geschieht jeden Sommer. Das Land Berlin, das im Sportforum drei Eishallen für Eishockey, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf im Leistungssport und auch für Schulsport und Hobbyläufer betreibt, spart mit der eisfreien Zeit eine Menge Geld, und die Techniker des Sportforums können notwendige Wartungsarbeiten durchführen. Nur eine von drei Eishallen ist im Sommer in Betrieb, und die müssen sich die Sportler aller drei Sportarten jetzt teilen. Aber überwiegend absolvieren sie in der eisfreien Zeit Trockentraining, arbeiten an der Kondition oder aber sie trainieren im Sommer in Trainingslagern an anderen Orten, wenn sie nicht selbst Urlaub machen.
In der ersten Augustwoche wird das Eis im Wellblechpalast wieder aufgebaut, einen Monat später in der Eisschnelllaufhalle, erläutert Ayleen Röttig, die Teamleiterin für die Eismeister. Das sei ein Prozess, der sieben bis zehn Tage dauere, denn das Eis könne nur schichtweise aufgetragen werden. Und ob das Berliner Eis in der kommenden Saison gut ist, hänge auch vom Wetter in dieser Woche ab.
Dabei hat Berlin in Sachen Eisqualität schlechtere natürliche Voraussetzungen als beispielsweise Luftkurorte im Gebirge. Der Grund: Das Berliner Wasser ist kalkreich und der viele Kalk führt zu härterem Eis als in den Bergen, wo frisches Quellwasser genutzt werden kann und die Eisqualität dadurch an manchen Orten legendär ist. Damit die Kufenläufer auch in der Hauptstadt leicht über das Eis gleiten können und international konkurrenzfähig sind, müssen die Eismeister das Wasser aufwendig durch eine Osmoseanlage schicken, wo es enthärtet wird, bevor sie neues Eis daraus machen.
Erst Ammoniak, dann Schlauch
Überall Wasser Da kann man nicht heulen, Seen gibt es genug in der Stadt und drum herum in Brandenburg. Und überhaupt: Berlin liegt am Fluss, die Spree fließt mittendurch und ganz im Westen dann die Havel. Wasserwerke säumen ihren Verlauf, und weil Berlin am Wasser liegt, ist die Trinkwasserversorgung auch in Dürresommern etwas unkomplizierter als anderswo.
Und der Klimawandel? Was bedeutet die Wasserlage für Berlin – gerade in Zeiten des Klimawandels? In unserer diesjährigen Sommerserie widmen wir uns dem Wasser in all seinen Facetten: Unsere Autor*innen sind losgezogen, um herauszufinden, warum Brunnenbauer immer tiefer bohren müssen, um noch an Grundwasser zu kommen. Wir statten der Berliner Hausbootszene einen Besuch ab und checken, wo man von Motorbooten nicht so schnell vom Stand-up-Paddling-Bord geworfen wird.
Nachlesen: Alle Folgen online unter taz.de/berlin/wasser. (taz)
„Wir kühlen die Eisbahnen zuerst mit Ammoniak“, erläutert Teamleiterin Röttig. Danach werde das Wasser mit einem Schlauch auf die Flächen gespritzt. Die oberen Lagen werden Tage später mit einem Wasserwerfer aufgespritzt. „Das Ganze muss langsam erfolgen, Schicht für Schicht, sonst gibt es zu viele Einschlüsse im Eis.“ Die studierte Sportmanagerin hat ebensowenig eine naturwissenschaftliche Ausbildung wie ihr Kollege André Wöbs, der einmal den Beruf eines Instandhaltungsmechanikers erlernte. Doch beide profitieren von ihrer jahrelangen beruflichen Erfahrung und von Fortbildungen. Eismeister ist kein Ausbildungsberuf. „Es entwickelt sich aber das Bewusstsein, das zu ändern“, sagt Röttig. Mit Physik und Chemie müssten sich Eismeister schon auskennen.
Und sie müssen die Anforderungen kennen, die die Sportler an das Eis stellen. „Eisschnellläufer brauchen das schnellste Eis“, sagt Wöbs. Das heißt, das Wasser darf nur wenige Inhaltsstoffe enthalten. Die müssen die Eismeister dem Wasser erst einmal entziehen, bevor es zu Eis werden darf. „Aber wir dürfen es auch nicht übertreiben, sonst bewegt sich das frisch aufgetragene Wasser auf der Eisfläche wie Krampfadern, statt zu gefrieren.“
Für Eiskunstläufer muss das Eis weich, also kalkarm sein, die Schicht aber dick, wissen die Eismeister. Röttig: „Das brauchen die Sportler, denn sie stechen beim Absprung mit der Kufe in das Eis. Würden sie dabei auf Beton stoßen, wäre das eine Verletzungsgefahr.“ Eiskunstläufer müssen bei Sprüngen zudem exakt auf den schmalen Kanten ihrer Kufen landen. Dabei kann man auf zu hartem Eis leicht wegrutschen. Auch das Gleiten funktioniert auf weichem Eis besser.
Eishockeyspieler lieben hingegen härteres und kaltes Eis. Sie haben andere Kufen, die mit hartem Eis klarkommen. Wäre die oberste Eisschicht noch nicht gefroren, was bei weichem Eis öfter vorkommt, könnte die Scheibe nicht richtig rutschen. Da bei einem Spiel viele Personen gleichzeitig auf dem Eis sind, zerkratzt die Oberfläche zudem schneller – ein weiteres Argument für hartes Eis.
Drei Eishallen in guter Qualität
Die Temperatur in der Halle, die Eistemperatur und die Luftfeuchtigkeit entscheiden wesentlich über die Eisqualität. Und das insbesondere in den alten, noch in der DDR erbauten Hallen, wo mehr Umwelteinflüsse von außen eindringen. Im letzten Jahr klagten einzelne Eiskunstläufer in sozialen Netzwerken über eine schlechtere Eisqualität in Berlin, einige haben die Stadt sogar verlassen. #Doch die Eismeister betonen, dass das nicht an Sparmaßnahmen des Landes liege, sondern unter anderem an ungünstigem Wetter während des Neuaufbaus des Eises nach der Sommerpause im vergangenen Jahr. Bleibt es in diesem Jahr während des Eisaufbaus trocken, werden dem Berliner Sport in der kommenden Saison wieder drei Eishallen in guter Qualität zur Verfügung gestellt.
Weil die Anforderungen der drei Eissportarten an das Eis so verschieden sind, stehen den jeweiligen Sportlern eigene Eishallen zur Verfügung. Jetzt im Sommer, wo sich alle eine einzige Fläche teilen müssen, ist das natürlich eine Ausnahme. Tritt man in diese Eishalle, in der gerade ein paar Kunstlaufpaare trainieren, kommt man von einem Moment auf den anderen vom Hochsommer in den Winter: Hier herrschen Lufttemperaturen unter zehn Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Für Eismeister André Wöbs ist es in dieser Jahreszeit eine willkommene Abkühlung, wenn er in die Eishalle kommt, mit Sportlern und Trainern plaudert und schließlich mit der Eismaschine über das Eis fährt und es frisch aufbereitet.
Wo sonst in Berlin kann man bei hochsommerlichem Wetter solch eine Abkühlung erleben? „Unsere Kollegen, aber auch die Sportler und Trainer haben da ein ganz unterschiedliches Kälteempfinden“, sagt er. „Manche tragen eine dicke Winterjacke, andere kommen nur im T-Shirt.“ Journalistin und Fotografin der taz zogen nach einer Minute in der Eishalle ihre mitgebrachten Winterjacken über, während Wöbs mit kurzärmligem T-Shirt in der Eismaschine sitzt. Einige Trainer an der Bande haben auch dicke Jacken an, andere nur einen Trainingsanzug. Die meisten Sportler, die sich auf dem kalten Nass bewegen, laufen mit dünner Sportkleidung.
Ungefähr zehnmal pro Tag fährt die Eismaschine über das Eis. Sie hobelt Schnee von der Eisoberfläche und spritzt neues Wasser auf, das rasch zu Eis gefriert. Die Eisfläche ist danach spiegelglatt, Unebenheiten und die Kratzer der Schlittschuhe sind verschwunden. Im Sportforum Hohenschönhausen ist dabei Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor, sagt Ayleen Röttig und zeigt auf eine Grube neben dem Maschinenraum.
Schnee zu Wasser, Wasser zu Eis
Darin wird der weggehobelte Schnee aufgefangen und dem Kühlkreislauf nachhaltig wieder zugeführt. Bei einer späteren Eisaufbereitung kann der einstige Schnee als kaltes Wasser wieder auf das Eis gespritzt werden. „Denn der Schnee ist ja schon durch die Osmoseanlage gegangen. Das ist billiger, als wenn wir das harte Berliner Leitungswasser noch einmal enthärten müssten.“
Zehn Eismeister gibt es im Sportforum plus acht Maschinisten, die vom Maschinenraum aus Temperatur und Luftfeuchte in den Eishallen regeln. Das Sportforum ist Olympiastützpunkt, hier trainieren überwiegend die leistungsfähigsten Eissportler, diejenigen, die es einmal zu den Olympischen Spielen schaffen sollen oder auch schon Olympiaerfahrung haben. Roman Kluge, der stellvertretende Leiter des Sportforums, ist stolz darauf, dass Berlin diesen Sportlern die Eisflächen kostenlos anbietet. Das ist nicht bundesweit Standard. Ausländische Sportler und Teilnehmer am Publikumslaufen müssen Gebühren zahlen.
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