taz-Serie Angezapft (5): Wo Rot-Rot-Grün eine Minderheit ist
Beim After-Sport-Stammtisch im Zehlendorfer „Kronprinz“ ist man nicht ganz so heiß darauf, die hiesige Koalition auch auf Bundesebene regieren zu sehen.
So, Sportsfreunde, jetzt erzählt mal was zur Wahl, ich muss morgen drüber schreiben.“ Diesen Anstoß braucht es im „Kronprinz“ in Zehlendorf eigentlich nicht. So müde sind die Kollegen nicht, auch wenn es das erste gemeinsame Training nach den Sommerferien war und die Liegestütze am Schluss geschlaucht haben. Natürlich geht es bei unserem After-Sport-Stammtisch um die Bundestagswahl am Sonntag und natürlich genauso um den Tegel-Volksentscheid.
Nicht dass wir uns an die Köpfe geraten. Das würde auch nicht passen zu dem gediegenen Ambiente der Kneipe, downtown Zehlendorf, fast noch im Schatten der benachbarten Herz-Jesu-Kirche. Weil auch das Rathaus samt Sitzungssaal der Bezirksparlaments nur ein paar hundert Meter weg liegt, ist hier zu abendlicher Stunde auch schon mal ein Bezirksverordneter oder Stadtrat zu sichten.
Holztäfelung, dunkle Tische und Stühle, gemütlich ausgeleuchtet. Das richtige Setting eigentlich, um länger als gedacht sitzen zu bleiben und ins Diskutieren zu kommen. Passiert aber nicht richtig. Wir sind uns irgendwie zu einig, dass da nicht mehr viel passiert bis Sonntag. Jedenfalls, was die Wahl und Merkel angeht. Sorgen macht am Tisch eher, dass die AfD am Ende deutlich mehr Stimmen als in den Umfragen kriegen könnte. Wobei einer daran erinnert, dass das vergangenes Jahr bei der Abgeordnetenhauswahl auch nicht so war.
Das Köstritzer Schwarzbier kommt, gibt es hier vom Fass, nebst lecker Schnitzel und Brathendl. Von der FDP mit ihren Plakaten ist schnell die Rede, die mit dem vermeintlichen „Tegelretter“ drauf – und schon sind wir beim Flughafen. Der eine oder andere hat Bekannte und Freunde in Pankow, die um 2010 herum dort eine Eigentumswohnung kauften und die im kaum erträglichen Flugzeuglärm immer noch darauf warten, dass die eigentlich für 2011 versprochene Tegel-Schließung Wirklichkeit wird. Die Bruchbude offen zu halten, geht für einen schon rein technisch gar nicht – ein anderer hält sämtliche vorliegende Zahlen zu den Kosten nicht für belastbar.
Noch ein Köstritzer? Lieber nicht. Aber dann bin ich doch hocken geblieben, jetzt sind wir wieder bei der Wahl. Einer der Sportsfreunde wäre angetan von Rot-Rot-Grün, der Rest vorwiegend weniger. „Guck dir doch an, was die hier in Berlin seit einem Jahr machen“, sagt einer – als Lob ist das nicht gemeint. Nächste Woche nach dem Training dürfte das Thema auch schon klar sein: Wahlanalyse. Obwohl da vorher noch mehr Liegestütze auf dem Plan stehen.
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