taz🐾sachen: Das Ende des Glaskastens
Die taz im Februar 2020: In der täglichen Morgenkonferenz sitzen 20, manchmal 30 RedakteurInnen eine Stunde lang zusammen. Jede/r muss netto ungefähr 10 Minuten lang aufmerksam sein, der eigene Rede-Einsatz dauert eine Minute. Effektiv? Nun ja. Später in der Mittagsrunde hocken 8 oder 10 RedakteurInnen bei geschlossener Tür in einem kleinen Glaskasten und diskutieren die Seite eins. Die CO2-Konzentration nimmt schon nach wenigen Minuten schwindelerregende Ausmaße an, und Viren, falls jemand welche hat, fühlen sich in der aerosolgeschwängerten Luft so wohl, dass Karl Lauterbach, wüsste er davon, einen empörten Tweet absetzen würde.
Das alles ist gerade mal ein Jahr her, und doch klingt es wie aus einer vergangenen Epoche. Heute laufen Konferenzen über Zoom; die KollegInnen schalten sich vom Homeoffice oder aus der taz zu. Selbstverständlich steht die taz immer an der Spitze jeglichen Fortschritts, aber arbeitspsychologisch funktioniert sie nicht anders als das Finanzamt Delmenhorst oder Tiefbau Meyer in Uelzen. Wandel kommt meist erst dann, wenn es nicht anders geht. Die Macht der Gewohnheit (oder der subtile Hebel des Konformitätsdrucks?) sorgten dafür, dass niemand mal nachgefragt hat, warum man eigentlich über 30 Jahre nach der Einführung des Internets in Dauersitzungen aufeinanderhocken muss – was für Schüchterne mit Lampenfieber wohl immer eine Qual gewesen ist. Wenn diese Pandemie vorbei ist, wird der kleine Glaskasten mit Sicherheit leer bleiben – es läuft doch. Die Macht der Gewohnheit. Gunnar Hinck
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