szene:
Esist immer das Gleiche, wenn ich spätnachts von der Bandprobe heimkomme: Ich bin müde, habe eine Melodie im Ohr und suche eine halbe Ewigkeit nach einem Parkplatz. Dabei fahre ich meist im Schneckentempo drei oder vier Mal um den Block und summe vor mich hin. Das ist so einlullend, dass ich mich am nächsten Morgen nur mit Mühe erinnern kann, wo genau ich das Auto abgestellt habe.
Das ist mir diesmal zum Glück nicht passiert. Als ich nach 23 Uhr im Bett liege, ist mein letzter Gedanke: Merken! Auto zwischen türkischem Imbiss und gelbem Briefkasten – kostenfrei parken bis acht! Mit einem Art Parkplatz-Mantra summe ich mich in einen tiefen, viel zu langen Schlaf.
Kurz 9 vor blicke ich auf den Wecker und dann aus dem Fenster: Am Ende der Straße läuft eine Ordnungsbeamtin geradewegs Richtung türkischem Imbiss! In Pyjamahose und Hausschuhen stürze ich durchs Treppenhaus auf die Straße. Als ich ihr näherkomme, steht sie mit ihrem Strafzettelgerät direkt vor meinem Wagen.
Unsere Blicke treffen sich. „Ich wollte gerade wegfahren“, keuche ich, während sie etwas Komisches macht: Sie fängt an zu grinsen. Ich erwarte ein hämisches „Zu spät – Strafzettel schon gedruckt.“ Stattdessen rückt sie sich die Schildmütze zurecht und sagt laut: „Jochen!“ Pause. „Erkennst du mich nicht?!“ Ich zögere. Sie grinst bis über beide Ohren. „Doch … ja … ähm“, stammele ich.
„Ich bin’s, Luana – deine ehemalige Friseurin!“ Instinktiv fahre ich mir durch die Haare. „Das gibt’s doch nicht…!“
„Bist nicht der Erste“, erklärt sie. „Die meisten erkennen mich nicht auf Anhieb wieder in Uniform.“ Seit bald 2 Jahren, als der Salon dichtgemacht hat, sei sie jetzt schon im Vollzugsdienst. Besser bezahlt und immer an der frischen Luft, schwärmt sie. Daniela sei bei Aldi, aber die wechsle jetzt auch.
Kurz drauf hole ich das Akkordeon aus dem Kofferraum. Und spiele zur Feier des Tages die Melodie von letzter Nacht. Jochen Weeber
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