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szene

Obwohl für 13 Uhr avisiert, rufen sie schon morgens um 9 an, ob ich zu Hause sei. Wenig später wuchten sie den Kühlschrank die Treppe hoch. Einer der Lieferanten schaut sich in der Küche um und mustert den alten, „Kaputt?“ „Nein“, meine Antwort ist mir peinlich, ich erkläre deshalb, „er ist 20 Jahre alt und wurde mir vor 12 Jahren geschenkt. Er hat nur leider keine Tiefkühlfächer.“ „Verstehe, wir nehmen viele Geräte dieser Marke im Austausch mit. Die funktionieren immer alle noch. Die sind für ein ganzes Leben gebaut. Ihr Neuer wird es höchstens 5 Jahre tun.“ Das grämt mich. Wieso will ich neuerdings Suppen einfrieren, tiefgekühlte Beeren und Speiseeis vorrätig haben oder jederzeit Bouillon von einem Huhn kochen können?

Während der Stand des neuen Geräts justiert wird, sucht mein Unbehagen nach Ablenkung. Vielleicht braucht der neue Kühlschrank erst einmal Aufkleber, um meine blinde Entscheidung und mangelndes Umweltbewusstsein zu überdecken? Ich erinnere, mein erster Kühlschrank war mit Werbung und Parolen vollgeklebt. Eine Auswahl von damals ist mir geblieben: „Tagesschau zitiert Massenblatt: Bildausfall“, „Better rock than rockets“. Es gäbe auch Neueres wie, „Eine Stadt für alle, die drin wohnen“.

Oder soll ich den Neuerwerb mit Magneten schmücken? Dafür kann ich die von der eisernen Wohnungstür eines früheren Apartments recyclen. Ja, manche Dinge halten auch bei mir ewig. Auf einem mit oranger Sternschnuppe auf schwarzem Hintergrund steht „Higher Powered“. Das könnte mir zupasskommen. Mit diesem besonderen Magnetismus behaftet, würde die Energie für das Gerät nicht mehr aus der Steckdose fließen, sie käme von irgendwo ganz woanders. Ich würde Strom sparen. Damit ließe sich meine Küchenmodernisierung schönrechnen, wenn auch aus der Basis dafür Verzweiflung spricht.

Silke Mohr

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