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strübel & passigIm Mädcheninternet

„Ob und wie das Internet für feministische Politik genutzt werden kann“, diese wichtige Frage versuchte vor wenigen Wochen die Heinrich-Böll-Stiftung vermittels eines Kongresses zu klären. Zwar nutzen vom Aalforscher bis zum Zahnspangenfetischisten so ziemlich alle das Internet für so ziemlich alles. Aber ob es sich auch für Frauen eignet, klar, das muss natürlich gesondert untersucht werden.

Prophylaktisch wurden in den letzten Jahren schon mal reichlich „ungestörte Plätze im elektronischen Urwald“ für „Ceiberweiber“, „Hacksen“ und „gURLs“ abgezäunt. Ohne sie hatten Frauen es nämlich nicht leicht: „Ob sie nun freundlich begrüßt wurden oder elektronisch belästigt, immer befanden sie sich an einem Ort, der eindeutig von Männern nicht nur zahlenmäßig beherrscht, sondern meist auch inhaltlich gestaltet wurde“, heißt es bei woman.de. Das ist natürlich wirklich nicht schön, und wer sich damit auseinander setzt, wird Kneipen und Fußgängerzonen nie mehr mit denselben Augen sehen.

Auch ich zog damals in die Welt hinaus, um mir Internetangebote für Frauen von innen anzusehen. Weil man ja keine Quotenvorteile ausschlagen soll, wenn sie auf der Straße liegen. Meiner ersten rein weiblichen Mailingliste (Thema: Schweinkram) entfloh ich nach einigen Monaten unter leider nur mangelhafter Wahrung der Contenance wegen einer Überdosis an Kinder-Küche-Kuscheln-Spam. Diskussionsforen im Internet, ich sag es mal für die Frauen unter den Leserinnen, haben in der Regel exakt ein Thema. Vielseitig interessierten Menschen steht es frei, sich an beliebig vielen Mailinglisten, Newsgroups und WWW-Foren zu beteiligen – eine Einsicht, die den Teilnehmerinnen jener Liste dauerhaft verschlossen blieb. „Aber!“, pflegten sie empört einzuwenden, „unser Leben ist nun mal nicht so eindimensional! Kinder sind auch ein wichtiges Thema! Wollt ihr uns verbieten, uns darüber auszutauschen?“

Immer noch guten Willens, trug ich mich daraufhin in einige Mailinglisten der „Webgrrls“ ein. Sie handelten von IT-Jobs und Webentwicklung, und ich freute mich auf die Gesellschaft attraktiver Geeks, die nicht aller Welt von ihrem Interesse an Rucolarezepten künden würden. Tatsächlich hielt sich das private Geschmuse in Grenzen, aber das fachliche Niveau war nicht dazu angetan, Vorurteile über Frauen und Technik zu mindern. Einige Wochen lang verfolgte ich das Treiben gefasst, und auch Anfragen wie „Hilfe, ich kann kein HMTL und soll die Homepage der Deutschen Bank erstellen – worauf muss ich denn da achten?“ konnten mich nicht erschüttern. Die Fragestellerinnen, so kannte ich das Verfahren aus dem Usenet, würden langsam und mit ausgesuchter Grausamkeit zu Tode geflamt werden. Als sich aber stattdessen ein Chor der Betüddelung erhob („Mach dir keine Sorgen, du schaffst das schon!“), da schwor ich der Segregation ein für allemal ab.

Gerade diese hässlichen Verhaltensweisen aus dem elektronischen Urwald, wo Alphamännchen grunzend mit Ästen auf den Boden schlagen, wolle man ja vermeiden, wird man einwenden. Stattdessen weiblich-hilfsbereit miteinander umgehen und so! Leider taugt dieser Ansatz nicht viel. Beantworte die Frage einer Ahnungslosen geduldig, und sie wird dich morgen wieder behelligen. Demütige sie und lehre sie googeln, und sie wird lernen, halbwegs selbstständig zu arbeiten.

Seit jenen traumatischen Tagen glaube ich jedenfalls fest an Koedukation im Internet. Nein, halt: Ein frauenspezifisches Angebot gibt es, gegen das gar nichts einzuwenden ist. Den Pilleneinnahme-Erinnerungsservice von m-pill.com. KATHRIN PASSIG

kathrin@kulturindustrie.com

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