strübel & passig: Die innovative Elternsicherung
Immer neue Horrormeldungen verunsichern all jene, die ihren Eltern den Zugang zum Internet ermöglichen wollen. Zum Beispiel T. aus Z.: „Meine Mutter“, berichtet er, „hat im Spiegel einen Beitrag über ein Internetforum gelesen, in dem ein gewisser ‚Bert Korallo‘ von seiner Begegnung mit Pierre Littbarski berichtet. Die Geschichte kam ihr bekannt vor.“ Der Rest war mütterliches Kombinations- und Anagrammvermögen – seit sie in „Bert“ ihren Sohn und in seinen Forumsbeiträgen höchst private Familienangelegenheiten wiedererkannte, hängt der Haussegen schief. Und der im Chat herzlich mit „Heda, alter Ficker!“ begrüßte K. aus B. entpuppte sich zum Schrecken der Mitchatter als seine eigene Mutter. Arglos hatte sie sich an den Rechner gesetzt und „nur ein paar Knöpfe gedrückt“. Weil sie „auch einmal sehen wollte, was der Bub da immer macht“.
Viele Jahre schien das Medium für sie so unverständlich wie uninteressant, doch in letzter Zeit drängen selbst sehr alte Eltern ins Internet. Dabei kann nicht nur das verbreitete Bedürfnis, die eigenen Kinder zu googeln, zum Problem werden. Auch an sich harmlose Inhalte können Eltern emotional desorientieren, ihnen etwa suggerieren, dass ihr Repertoire an Sexualpraktiken empfindlich eingeschränkt sei. Soziale und psychosomatische Störungen sind die Folge, nicht selten werden die Eltern am Arbeitsplatz auffällig.
Innovative Software für elternsicheres Surfen ermöglicht es dem besorgten Nachwuchs jedoch mittlerweile, die Eltern bei Ausflügen ins Netz zu schützen. Die Initiative www.elternschutz.net empfiehlt die Software „ElterShelter“, die neben ausgefeilten Content-Filtern mit elternsicherem („parent-proof“) Mail-Client und Browser ausgeliefert wird – sichtbar sind dabei maximal drei der wichtigsten Buttons, während sämtliche Konfigurationsmöglichkeiten passwortgeschützt hinter den Kulissen versteckt sind. Alle Sicherheitseinstellungen sind per Default auf die höchstmögliche Stufe gesetzt und lassen sich von den Eltern nicht eigenmächtig verändern. Wer nachts nicht mehr ruhig schlafen konnte beim Gedanken an die unheilvolle Kombination aus Outlook, Internet Explorer und Eltern, wird aufatmen.
Ausgefeilte Funktionen ermöglichen darüber hinaus das Abfangen von Fehleingaben: Der Vater möchte eine 10 Megabyte große Powerpoint-Urlaubsfotopräsentation an sein gesamtes Adressbuch mailen. Die Mutter will die lästig blinkende 01 90-Dialer-Werbung durch beherztes Draufklicken loswerden, kurz, es wird eine der tausend Narreteien versucht, auf die unbeaufsichtigte Eltern vor dem Computer verfallen: Hier greift ElterShelter ein und zeigt eine (frei konfigurierbare) Warnmeldung an: „Diese Aktion kann nicht ausgeführt werden. Ruft mich unter 01 79 xxx xx xx an, wenn ihr wissen wollt, warum. Aber bitte nicht vor zwölf Uhr! Eure euch liebende Tochter.“
Für alle solchen Systeme gilt jedoch: Sie sind nur sicher, wenn Mails nie unverschlüsselt gespeichert, im Netz immer falsche Namen benutzt und keine Geburtsdaten oder Kosenamen von Familienmitgliedern als Passwort verwendet werden. Da kommen die Alten blitzschnell dahinter. Dann hilft es manchmal nur noch, ihnen konsequent den Zugang zum Rechner zu verwehren. Ausgewählte Internetinhalte kann man ja hin und wieder ausdrucken und mitbringen.
KATHRIN PASSIG
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