piwik no script img

streit um ökosteuerDuftnote im Wahlkampf

Wieder geistert eine dieser „Debatten“ durchs Land: Was passiert mit der Ökosteuer nach 2003? Diskutiert wird nicht miteinander, sondern per Interview: Der Kanzler spricht mit dem ZDF, der grüne Parteichef mit dem Deutschlandfunk und der Umweltminister mit der Frankfurter Rundschau. Die Grünen wollen die Ökosteuer nach 2003 fortführen, der Kanzler nicht. Und die Opposition freut sich über den „Streit“.

Kommentarvon MATTHIAS URBACH

Den gibt es allerdings nicht wirklich. Denn SPD und Grüne sind sich einig, dass über die Zukunft der Ökosteuer erst nach der Bundestagswahl entschieden wird. Am Hebel sind die Wähler: Wird Rot-Grün 2002 bestätigt, ist die grüne Verhandlungsposition stark. Andernfalls ist Schluss mit der Ökosteuer.

Und von einer „Debatte“, die der Kanzler am liebsten gleich beenden würde, ist man ohnehin weit entfernt. Dazu müsste ernsthaft über den Anlass für die Ökosteuer geredet werden: den Klimawandel. Gestern präsentierte das IPCC, ein UN-Expertengremium, seine Prognosen. Demnach gibt es keinen Zweifel mehr an der menschengemachten Erwärmung, Ende des Jahrhunderts könnten die Temperaturen knapp 6 Grad höher liegen, heute herausgeblasene Treibhausgase werden noch für Jahrhunderte die Luft aufheizen. Allein das Abschmelzen der Eisschichten in Grönland könnte den Meeresspiegel gleich meterweise anheben.

Die Ökosteuer ist eines der wirksamsten Instrumente beim Klimaschutz. Wer sie einfrieren oder abschaffen will, muss Konzepte präsentieren, wie er den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid dann eindämmen will – schließlich bekennen sich alle Parteien zum Klimaschutz. Dann hätten wir tatsächlich eine Debatte. Nur geht es darum gar nicht: Es geht um Duftnoten im Wahlkampf im Südwesten Deutschlands. Da genügen Bekenntnisse auf Talkshowniveau.

Auch die Grünen müssten eigentlich darüber brüten, wie sich die Ökosteuer popularisieren ließe – und ob es nicht doch andere Mittel gibt, das Klima zu schonen, ohne allzu viele Wähler zu verschrecken. Auf den Kanzler können sie nicht rechnen; ihm ist die unpopuläre Steuer schlicht lästig. So lästig, wie es seiner Regierung zu Anfang war, sich wegen BSE mit der Agrarlobby anzulegen. Zu seinem Glück reagiert das Klima noch träger auf Treibhausgase als ein Rinderhirn auf Prionen. Doch leider wird der Klimawandel unser Leben ungleich stärker verändern.

nachrichten SEITE 2,gebrauchsanweisung SEITE 4

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen