straight aus dem medienpark „Zitty“ hat renoviert, Radio 1 versucht sich an Blumfeld: Benutzerfreundlichkeit lebe hoch !
Immer wenn mal wieder was gehen soll zwischen Zeitung und Leserschaft, gibt es ein neues Layout. So wie dieser Tage bei der Stadtillustrierten Zitty. Die wurde ordentlich „renoviert“, warnt ehrlicherweise aber auch gleich im Editorial: „Natürlich haben wir das Rad nicht neu erfunden.“
Die Zitty-Leserschaft, man ahnt es, wird in den nächsten Wochen jubeln, was man wiederum nachlesen kann auf der ebenfalls neu gestalteten Leserbriefseite: „Euer neues Layout finde ich einfach klasse“, Heiner Peters, Berlin. Oder sie wird keine Leserbriefe schreiben, meckern, das neue Layout richtig Scheiße finden, wie jedes neue Layout egal welcher Zeitung. Und sich dann schnell daran gewöhnen und gar nichts anderes mehr vorstellen können (dasselbe Spiel dann bei der nächsten Neues-Layout-Runde).
Stolz ist man bei Zitty, „benutzerfreundlicher“ geworden zu sein, „zeitgemäßer“, was sich selbstverständlich auch erstreckt auf den redaktionellen Teil der Programmzeitschrift. Da hat man jetzt zum Beispiel jeden letzten Satz in den Theater-, Film- oder Kunstkritiken gefettet: „Ein verschmitzter, kluger Streifen“ („Absoluta Warhola“) oder „Pulp Fiction auf mexikanisch, hart, lebensnah“ („Amores Perros“) steht nun am Ende fett unter den Rezensionen, so als hätten die Kritiker ihre Texte auf diesen letzten, ungemein wichtigen Satz hingeschrieben. Benutzerfreundlichkeit galore, Schnelligkeit und leichter Konsum supreme – so kann man das sehen. Doch solche Fettungen (und natürlich Sätze wie oben zitierte) signalisieren auch: nichts der Text, billig das Urteil. Oder: Achtung, Leser, Vorsicht vor dieser Kritik, bitte nicht lesen!
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Letzte Woche traten Blumfeld zweimal im ColumbiaFritz auf. Auch für den Erwachsenensender unseres Vertrauens, Radio 1, ein Ereignis; ja, ein gewichtiger Grund, Bandleader Jochen Distelmeyer schon mal am frühen Vormittag zu befragen, wenn die Erwachsenen auf Arbeit sind.
Blöd nur, dass Distelmeyer zwar gutwillig, gern aber auch etwas stachelig ist. Und blöd, dass der Moderator einsteigt mit „Na, für einen Musiker wohl ein bisschen früh am Morgen noch, was?“ (Es ist Viertel nach elf). Was soll einer dazu sagen? Danach folgen Fragen nach der Gefühligkeit der Blumfeld-Songs, ob das wieder modern sei, ob man sich jetzt wieder trauen könne, über die Liebe zu singen, und es folgen Gegenfragen von Distelmeyer: „Wie meinst du das jetzt?“, oder ausweichende Antworten: „Wir haben auch schon auf unserer ersten Platte ‚Ich-Maschine‘ über Liebe gesungen, ‚Immer wieder Liebeslieder‘ zum Beispiel“.
Es klappt nicht wirklich, dieses Gespräch. Es holpert hier und stockt dort, und es geht völlig daneben, als es zum Ende lustig werden soll. Moderator: „Und, spielen Blumfeld heute Abend auch wieder ‚Auf der Reeperbahn nachts um halb eins‘?“ Distelmeyer (schweigt etwas länger und erstaunt in den Äther rein. Überlegt, was er darauf noch sagen soll): „Äh, das haben wir noch nie gespielt.“ Moderator: „Na, vielleicht als es schon ein bisschen höher herging, alle schon ein bisschen betrunken waren.“ Distelmeyer: „Na ja, also wirklich, da kann ich mich nun gar nicht dran erinnern, so viel können wir gar nicht trinken.“
Kein missgünstiger Hörer, der spätestens hier auf den Gedanken kommt, dass dem Moderator möglicherweise eins ausgewischt werden sollte von seinen Zuträgern und Kärtchenschreibern. Vielleicht auch einfach eine tolle Ahnungslosigkeit im Radio-1-Vormittagsmagazin-Team: Hamburger Band und Hans Albers, das passt immer, irgendwie.
FRANCIS BERGMANN
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