straight aus dem medienparkIn schweren Zeiten hilft Franz Josef Wagner: Unsere heile Welt
Es waren harte, um nicht zu sagen, brutale letzte Tage, die härtesten vielleicht seit dem 11. September: Der Vormarsch der Nordallianz, Schröders Vertrauensfrage, das Schicksalsspiel der deutschen Fußballer und und und. Da braucht es Informationen zwecks Übersicht und Meinungsbildung; da braucht es aber auch jemanden, der Trost spendet, der sagt, was sonst zählt im Leben. Kurzum: Da braucht es Franz Josef Wagner, Bild- und Welt-Kolumnist („Post von Wagner“, „Wagners Welt“), Dichter, Denker und Meister der Herzen.
Eigentlich ist Wagners Welt ja die seiner Adressaten – was so weit geht, dass Wagner auch den Tod bringt. Denn: Wer Milzbrand-Briefe verschickt, hat die Rechnung ohne Wagners Post gemacht! Doch Wagner ist vor allem unten mit seinen Lesern. Er weiß, was man in Aschaffenburg, Riesa und Rudow denkt, sein Herz schlägt auf dem rechten Fleck. Und so geht es in seinen Briefen immer über Bande: Mit dem Promi auf du und du, um so die Lebensweisheiten für mich, dich und Klein-Otto zu filtern.
Ein Brief an die schwer gebeutelte Doris Schröder-Köpf, Wagners Anteilnahme, und dann sein dialektischer Übersteiger: Wie man aus „Verlustgefühlen“ „Glücksgefühle“ macht, wie schön es ist, wenn der Gerhard wieder zu Hause ist. Und, schwupps, verlässt Wagner die Schröders und fordert, abgesichert durch die „wissenschaftliche Theorie über das Glück in der Partnerschaft“, die Entdeckung des Alltags: „Da wäre der Weg zum Briefkasten, den der eine vollführt, der Brötchen holt, und der Duft des Kaffees, der ihn/sie empfängt.“ Dieses „morgenmantelige Leben“ führe, weiß Wagner, weiß die Wissenschaft, „zu einer neuen Wir-Identität“. Es folgen die Betrachtung des Morgenhimmels, der Morgenspaziergang, (mit Hündchen an der Seite!) und Erkenntnisse über Baum- und Grasarten. Also: „Die unverfälschte Welt aus Stein, Holz, Gräsern und Liebe.“ Das Leben ist schön, sagt Wagner und sagt es uns, die wir es nicht wissen.
Logisch, dass er, genau wie wir, sich auch um Michael Ballack sorgt, der uns fast allein zur WM schoss und nun Gefahr läuft abzuheben. Das kann ihm nicht gut tun, sorgen sich Wagner und wir, und Wagner gibt Ballack die Ratschläge, die uns allen gelten: „Gehen Sie nicht in Talkshows, machen Sie keine Werbung für Handys und Strom, quatschen Sie nicht über Afghanistan und Schröder, verlassen Sie nicht Ihre Freundin!“ Ja, „bleiben Sie auf dem Rasen!“, respektive Boden.
Auf dass es Ballack (und uns!) nicht ergehe wie Ulla Kock am Brink und Theo Balz. Die sind nämlich „plötzlich und unerwartet verschieden – totgeschwiegen. Nicht eingeladen bei der Aids-Gala, bei Bambi, beim Presseball“, und das, obwohl sie weder Drogen- noch Alkohol- noch „Kinder gefährdende Sexprobleme“ haben (Wagner! Was sind Kinder gefährdende Sexprobleme! Bild! Hilf!). Doch Wagner hat tröstende Worte: „Küsst euch stürmisch und stundenlang“, Liebende seien schließlich „vorbildliche Wesen, sie leben in der Harmonie mit dem Universum“.
Das tut so gut, dass man ganz vergisst zu fragen: Woher weiß er das? Das tut aber auch wieder so gut, dass man in schweren Zeiten wie diesen süchtig wird nach Wagners letzten Worten: Unseren täglich Wagner gib uns heute. Amen. FRANCIS BERGMANN
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