strafplanet erde: die emotionen der medienmaschinen von DIETRICH ZUR NEDDEN :
Der DVD-Player funzelt Goodbye, wenn man ihn ausschaltet. Das Küchenradio funzelt Goodbye, wenn man es ausschaltet. Der Videorekorder funzelt Goodbye, wenn man ihn ausschaltet. Gemahnt das nicht, dachte ich in einem lyrisch-pastoral belüfteten Augenblick, an den Vers des tendenziell unbehausten Rilke: „So leben wir und nehmen immer Abschied“?
Prompt stürzt eine Gegenfrage ins morsche Gebälk: Ja bist du jetzt vollends staubdumm und verblödet? Außerdem hat das HAL vorweggenommen, der gefühlige Bordcomputer in Kubricks „2001: Space Odyssey“. „I can feel it“, seufzt er, als die Besatzung ihn abschaltet, „my mind is going.“ Meins auch?
Die kommunikative Balance im Allgemeinen ist dahin. Von Kälte und Anonymität der Technik ist leichthin die Rede. Aber ich schätze, vielen Hominiden kommt nicht das leiseste Servus über die Lippen, wenn sie auf ein Bier das traute Heim verlassen. Höflichen Umgang hat man ersatzweise der Unterhaltungselektronik einprogrammiert, Formeln der Zuwendung, simulierte Emotionen. Hoppla, Emotionen: Immer und überall dabei im öffentlichen Gebrabbel, zur Schau gestellt oder eben simuliert. Gefühl und Empfindung schwächeln imagemäßig. Wuchtiger sind Emotionen.
Eines von meinen beiden Lieblingsschnipseln Tucholskys geht so: „Es gibt in der Kunst ein unumstößliches Gesetz. Was einer recht auffällig ins Schaufenster legt, das führt er gar nicht.“ Es ist nicht auf die Kunst beschränkt. Dieser Tage brachte jemand die Tonbildbotschaften aus dem katholischen Reich auf einen Begriff: „Gegenaufklärerische Entrücktheit“. Sind unter den vorgezeigten Gestalten eigentlich viele, die gern den Mangel an Spiritualität egalwech beklagen und dann an der Supermarktkasse – remember Geiz ist eine Todsünde – effizienzorientiert ihre Payback-Karte zücken?
Dankenswerterweise hat Willi Winkler in der Süddeutschen die „moderne Medienoper“ anlässlich der „Menschenfischer Superstar“-Kampagne pointiert beschrieben. Wie Gottliebs Sigmund die „großen Emotionen“ beschwor, auch im ZDF „die Emotionen fantastisch“ waren, denn „die Italiener sind da ganz emotional“. Ein Reporter sah Gläubige, die „gar nicht mehr wissen, wohin mit den Emotionen“, und Ulrich Wickert fragte einen Kardinal, der am Konklave teilgenommen hatte: „Gab es da Emotionen?“ Wehe, wenn nicht. Den Titel für die Konklaveberichte hätte man bei „Hattrick 2. Liga“ im DSF leihen können: „Alle Ergebnisse, alle Emotionen“. Wie wird das erst, wenn „Deutschland“ neben der Kommandozentrale der allein selig machenden Kirche mit Beckenbauer auch die im Fußballverband Uefa oder gar der Fifa übernimmt? Dann sind „wir“ Papst und Fußballgott in Personalunion.
Uferlose Aussichten wie diese schwirren durch den Brägen, als ich mich dem Touchscreen des Computerterminals in der Bankfiliale nähere. Beschwörend berühre ich den Button „Ihr Finanzstatus“. Lange bin ich vom Minus wie betäubt. Wohin mit den Emotionen? Verzögerung aber duldet der Rechner nicht. Rechner sind der Höflichkeit zum Trotz logisch und streng. „Bitte führen Sie den Dialog fort oder drücken Sie auf ‚Beenden‘ “. „Dialog“ ist gut. „Beenden“ besser.