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stefan kuzmany über ChartsSind nicht alle ein bisschen Scharping?

Millionen sind der Realität noch mehr entrückt als der Verteidigungsminister. Zum Beispiel der Autor

Friedrich Merz: „Ich lass mich von dem doch nicht verarschen.“

(Flughafen Priština,

30. August 2001, 17.24 Uhr)

Rationalisierung: nachträgliche Scheinbegründung für in Wahrheit trieb- oder instinktbedingtes Handeln (zum Beispiel Vorgabe wissenschaftlichen Interesses bei der Lektüre von Pornoheften).

OUT Der Tag beginnt, natürlich, mit einem Fehler. Heute Morgen klingelte der Wecker, aber ich wollte ihn nicht hören. Ich wollte schlafen, weiterschlafen, nicht aufstehen, träumen, nicht aufstehen, weiterschlafen, nur noch einmal auf diese wunderbare Taste drücken, die den Weckruf um fünfzehn Minuten verschiebt, ein weiteres Mal geht schon noch, nur noch eine Viertelstunde. Als ich das nächste Mal auf den Wecker blicke, ist es elf Uhr und siebzehn Minuten. Es wird nicht mehr lange dauern, und sie schmeißen mich raus.

Ach so: Heute habe ich ja frei. Gut. Ein Blick auf den Terminkalender zeigt: Heute muss die Kolumne geschrieben werden. Ein Blick auf die Wohnung zeigt: Heute muss diese Wohnung aufgeräumt werden, denn morgen kommt ordnungsliebender Besuch. Einen Blick in den Kühlschrank werfe ich nicht. Sonst erwürgt mich womöglich das Wesen aus der Milchtüte. Ich will es lieber nicht stören. Ein Blick aus dem Fenster zeigt: Heute ist schönes Wetter. Erst mal eine rauchen und dann frühstücken gehen.

Zigaretten sind alle.

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Vorher jedoch zum Geldautomaten. Kontostand: minus 1.885 Mark. Das heißt: Die Bank ist bereit, mir noch 115 Mark vorzustrecken, dann ist endgültig Schluss. Der Monat hat noch zweiundzwanzig Tage. Ich hebe ab, was geht.

Auf dem Weg ins Frühstückslokal noch schnell im Plattenladen vorbeischauen. Ah, die neue Michael Jackson ist schon da. Die wird gekauft. Dazu noch eine Best of Bee Gees. Wollte ich schon immer mal haben. Kann man immer gebrauchen.

Englisches Frühstück: Gebackene Bohnen in Tomatensoße, gebratener Speck, darüber ein Spiegelei, dazu Toast mit Orangenmarmelade. Das schmeckt. Dazu informiere ich mich aus der Bild über die politische Lage in Deutschland: Neue Vorwürfe gegen Scharping. Na so was.

Nachmittag, Biergarten. Männergespräch. Nach dem vierten Bier zählen wir Affären. Tom fragt: „Benutzt ihr eigentlich Kondome? Schützt ihr euch?“ Keine Antwort. Sofortiger Themawechsel. Martin sagt: „Ich rauche zu viel.“ Keine Antwort. Sofortiger Themawechsel. Ich frage Martin: „Kannst du dir dein neues Auto überhaupt leisten?“ Keine Antwort. Martin fragt Tom: „Was machen eigentlich deine Telekom-Aktien?“ Keine Antwort. Ungemütliche Stimmung. Die Runde löst sich schnell wieder auf.

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Wolken schieben sich vor die Sonne. Es wird kalt. Und es wird wohl regnen. Tom und ich beschließen, den Nachmittag im Kino zu verbringen. Wir entscheiden uns für „Der Planet der Affen“. Tolle Plakate.

In der U-Bahn klingelt das Mobiltelefon: „Guten Tag, Ismeier hier. Sie wollten uns doch schon vorgestern Ihren Text liefern?“ – „Kein Problem, ich bin dran, Sie bekommen ihn bis 17 Uhr.“ Wer zum Teufel ist Ismeier? Und was sollte ich für den schreiben? Muss lange her sein, der Auftrag. Unbedingt merken: Morgen mal in meinen Unterlagen nachsehen. Wenn ich sie noch finde.

Reden wir bloß nicht über diesen Affenfilm.

Der Abend ist ein Desaster. Erst eine Dreiviertelstunde nach der Fernbedienung gesucht. Dabei kann ich sowieso nur RTL 2 und 9live empfangen. Ich habe also die Wahl zwischen „Police Academy 6 – Widerstand zwecklos“ und „greif an!“, einer Quizshow mit einem Moderator namens Wolf-Dieter Herrmann. Eine schwierige Entscheidung. Die Lösung: Die Mischung macht’s.

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Einige Stunden und Biere später. Eine barbusige Schöne im Fernsehen gibt an, einsam zu sein, und will, dass ich sie anrufe. Warum nicht? Es könnte sich ein interessantes Gespräch entwickeln. Zunächst lande ich in der Warteschleife, in welcher mir aber versichert wird, dass ich jetzt jeden Moment mit einer aufregenden Frau sprechen werde. Und tatsächlich: Nach fünf Minuten habe ich sie am Apparat. „Na, ganz allein daheim?“, fragt sie verführerisch. „Ja“, antworte ich. „Pech gehabt“, sagt sie. Und legt auf.

IN Rudolf Scharping soll zurücktreten? Aber auf gar keinen Fall. Schließlich leben wir in einer repräsentativen Demokratie. Und niemals hat mich ein Politiker so gut repräsentiert wie jener, dem nicht mehr zu helfen ist: der Lebensgefährte von Kristina Gräfin Pilati-Borggreve.

Fragen zu Charts?kolumne@taz.de

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