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stefan kuzmany über AlltagEntscheidung im Morgengrauen

Frauen lieben Männer, die klare Ansagen machen können. Zumindest solange diese sie nicht betreffen

„Willst du Kaffee oder Tee?“ Oh Mann, Mädchen. Woher soll ich das wissen, so früh am Morgen. Im Radio lief Musik. Ein Mann mit italienischem Akzent sang: „Zucker im Kaffee / Und Zitrone oder Sahne in den Tee / Und dazu den ganzen Tag lang Amore / Das ist wunderbar, Signor.“

„Weißt du, von wem das ist? Von wem ist das Lied?“, fragte ich die wunderschöne Frau, die sich gerade zufällig in der Küche aufhielt, weil heute sie dran war, das Morgengetränk zuzubereiten. Eigentlich interessierte mich das Lied nicht. Ich wollte nur Zeit schinden für meine Kaffee-Tee-Entscheidung. „Das Lied?“, antwortete sie. „Keine Anhnung.“ „Da fällt mir ein – ich weiß es: Tuto Cottunio heißt der.“ „Quatsch, der heißt Toto Cuttonio“, widersprach sie. „Bist du sicher? Wenn du meinst“, sagte ich. Und bereute es sofort.

Denn es war ein Fehler, mich nicht festzulegen. Das mochte sie nicht. Sie mochte klare Worte. Bestimmtes Auftreten. Harte Entscheidungen. Machen, machen, machen. Sie kam aus der Küche und stellte mir wortlos eine Tasse Kaffee vor die Nase. Missmutig starrte ich darauf. Sie sah mich an. Einige Sekunden lang war es still. Die Ruhe vor dem Sturm. Es war klar, was jetzt passieren würde. Und es war unvermeidlich. Ich wusste, dass das, was ich gleich sagen würde, alles noch schlimmer machen würde. Aber ich konnte nicht anders.

Wie von selbst kamen die Worte aus meinem Mund: „Ich hätte eigentlich doch lieber Tee gehabt.“ Ihre Augen funkelten. Wie hübsch sie doch war, wenn sie sich aufregte. Wahrscheinlich, dachte ich mir, ärgere ich sie nur deswegen so gern – um beobachten zu können, wie sie zornig wird. Wie ein Protestwähler, der das Entsetzen in den Augen der etablierten Politiker sehen will, wenn sie nach dem überraschend guten Abschneiden von Trude Unruhs „Grauen Panthern“ hilflos nach Erklärungen ringen.

Was für ein unsinniger Vergleich. Offenbar stand ich noch unter dem Einfluss einer Wahlwerbesendung, die ich vor einigen Tagen gesehen hatte und von der ich seither regelmäßig träumte. In dieser Wahlwerbesendung zeigte sich Trude Unruh, die Seniorenaktivistin, mit knarrender und damit umso eindringlicherer Stimme überzeugt, dass sie den Einzug in den Bundestag wieder schafft.

Dreimal hintereinander sagte sie das und schritt dreimal hintereinander auf das Redepult im Bundestag zu. Eine sehr alte Aufnahme. Man konnte erkennen, dass sich das Rednerpult, auf das Trude Unruh so energisch zuschritt, im Bonner Wasserwerk befand, wo der Deutsche Bundestag vor Jahren seinen Sitz gehabt hatte. Wie lange war das her? Wie alt mochte Frau Unruh heute sein? Ich schüttelte den Kopf und versuchte so, das energische Seniorenwesen aus meinem Kopf zu vertreiben. Es gelang.

„Zeit für Taten“, dachte ich und sagte zu der wunderschönen Frau, die mir gegenübersaß: „Ich habe beschlossen …“ und dachte: „Schon mal ein guter Anfang!“ und sagte: „… dass wir heute in den Tierpark gehen“ und dachte: „Das wird ihr gefallen: eine tatkräftige Ankündigung voller Initiative und Engagement und inhaltlich eine gemeinsame Unternehmung an der frischen Luft, wunderbar.“ Kein „Was hältst du davon?“, kein „Wenn du willst“, einfach nur: „Wir machen das so.“ Sie sah mich nur an. Das Funkeln in ihren Augen war nicht etwa in Bewunderung für meine Managerqualitäten umgeschlagen. Immer noch sehr hübsch, aber auch langsam etwas unheimlich und bedrohlich. „Es regnet“, sagte sie nur. „Ach so“, sagte ich.

Nach dieser verheerenden Niederlage beschloss ich, erst mal zu schweigen. Bis ich die Regierung wieder übernehmen könnte, würde viel Zeit vergehen. Ich stellte mich auf eine lange, harte Periode in der Opposition ein, mit Gesetzesvorlagen, die abgeschmettert werden. Mit kleinen und großen Anfragen, auf die ich zwar Antworten bekäme, aber keine ausführlichen und erst recht keine befriedigenden. Ich würde froh sein können, wenn ich den Vorsitz im Kloputzausschuss übernehmen dürfte. Was für ein Tag.

„Ich habe mich übrigens entschieden. Ich werde heute die FDP wählen“, sagte sie unvermittelt. Plötzlich war alles ganz anders. „Das wirst du auf gar keinen Fall tun!“, rief ich entsetzt. Ich war jetzt hellwach. Es wurde dann doch noch ein sehr interessanter Vormittag.

Frage zu Alltag: kolumne@taz.de

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