starke gefühle: Der Souverän, wer war das noch mal? In der CDU weiß man es nicht mehr
Politische Partizipation ist ein hohes demokratisches Gut. Es beschränkt sich nicht nur aufs Wählengehen. Und dennoch wird das bei der CDU gerade so gesehen: Einmal gewählt, gilt nicht mehr, was davor galt.
Nicht nur die Sache mit der Schuldenbremse, vorher blockiert, jetzt durchgepeitscht, zeigt das. Auch, dass unzählige Päckchen mit Tassen und Briefen in Schuttcontainern hinterm Konrad-Adenauer-Haus liegen, macht deutlich, was die CDU vom Souverän hält, sobald der sein Kreuz gemacht hat. Nämlich nichts.
Zur Erinnerung: Tassen wurden Friedrich Merz geschickt, weil der sagte, er wolle nicht mit grünen und linken Spinnern reden, sondern mit Leuten, die noch alle Tassen im Schrank haben. Daraufhin wurden ihm Hunderte Tassen geschickt, und denen sind Briefe beigelegt von Menschen, die genau das, was er sich wünscht, auch wollen: mit ihm in einen Meinungsaustausch treten. Daran hat Merz kein Interesse. Deshalb liegen die Päckchen in den Containern.
Tausend Tassen, das ist jetzt die neueste Wendung, sollen nach Gambia in Afrika geschickt werden. Denkt man den Merz’schen Ausfall weiter, heißt das: In Afrika fehlen Tassen im Schrank. Man muss dazusagen: Peter Brunner von seiner NGO Heart4Gambia hat um die Tassen gebeten, er meint es sicher gut.
Ungeachtet dessen ist für die, die Merz eine Tasse samt Brief geschickt haben, die alles entscheidende Frage: Werden die den Päckchen beigefügten Briefe gelesen? Um diese nämlich müsste es gehen. Die Pressestelle der CDU antwortet auf diese Frage seit Tagen beharrlich nicht.
Die Briefe sind Meinungsbekundungen des Souveräns an den politischen Vertreter. Einige liegen der taz in Kopie vor. Etwa der einer Bibliothekarin. „Wir sind stolz, dass unsere Enkel gelernt haben, wie Demokratie funktioniert, und deren Möglichkeiten nutzen. Dafür müssen wir uns nicht von Ihnen beschimpfen lassen“, schreibt sie.
Liane P. aus Leipzig, die in ihrem Brief an Merz ihre Empörung über dessen Attacken auf die Omas gegen rechts deutlich macht, sagt am Telefon: „Wir setzen uns für die Demokratie im Rahmen des Grundgesetzes ein. Jetzt empfinden wir uns als unliebsame Akteurinnen. Ich empfinde keine Wertschätzung, sollte keine Antwort kommen.“
Bürger und Bürgerinnen haben ein paar Möglichkeiten, um ihren politischen Willen zu bekunden. Wahlen sind die gängigste. Ansonsten kann man demonstrieren, das Gespräch mit Politiker*innen suchen, an Sit-ins teilnehmen, Briefe schreiben.
Abgeordnete sind angehalten, Briefe zur Kenntnis zu nehmen und zu beantworten. Sie müssen es nicht mal persönlich tun, aber sie sollten der Kommunikation mit dem Souverän nicht aus dem Weg gehen. So zeigen sie, dass sie mit den Bürger*innen auf Augenhöhe sind.
Aber die CDU macht das bislang nicht.
Stattdessen setzt Philipp Amthor, dieser Typ, den ernst zu nehmen schwer fällt, und das ist gerade das Gefährliche an ihm, noch eins drauf. Er öffnet ein paar der Päckchen und macht sich über die beigelegten Briefe lustig, nur um am Ende das Ganze als Werbung für sich zu nutzen.
Das ist eine weitere Ungeheuerlichkeit, die die Missachtung zeigt. Der Souverän ist für Amthor eine Witzfigur. Er tritt, was eine Demokratie ausmacht, mit Füßen.
„Es ist faszinierend, wie konsequent ihr es schafft, jeglichen Anstand zu vermeiden. Fast, als wäre es eine bewusste Entscheidung“, schreibt eine Luisa Hauser in den Kommentaren.
„Nichts begriffen“, schreibt ein ptoons.
Genau so ist es. Waltraud Schwab
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