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standbild „Ich seheSuppen“

„Die Trendfabrik“

(Di., 20.15 Uhr, Arte)

Was hat haptische Qualitäten? –„Wolle.“ In welche Farben werden sich die Leute nächstes Jahr kleiden wollen? – „In Hautfarben.“ Wie werden wir leben? – „Als Individuen, die sich in eine Gesellschaft einbringen können, ohne sich selbst zu verleugnen.“

Li Edelkoort hat einen Traumberuf: Als hoch bezahlte Zukunfts- und Trendforscherin tastet sie sich durch die Welt der Dinge und muss zweifelsohne hellsehen können – auch wenn ihr gehauchtes „je clairvoix“ in der deutschen Übersetzung zu „ich sehe klar“ missriet.

Wie das funktioniert? Für ratlose Modefirmen etwa legt Li Edelkoorts Agentur Farben, Formen und Stoffe fest, die massenhaft in Serie gehen und, da sie nun mal massenhaft ausliegen, in der nächsten Saison auch massenhaft gekauft werden. Da staunt der Laie. Die Regisseurin Katrin Kammer hätte sich wenigstens wundern können, doch erschlafft sie in verzückter Bewunderung vor dem Genie des Luxusweibes und schwadroniert eifrig mit: Trendscouts seien „Schlafwandlerinnen auf dem Weg in die Zukunft“. Was sieht sie dort? „Haustiere werden eine große Rolle spielen“, orakelt Frau Edelkoort, „und ich sehe Suppen voraus.“

Ihre Wohnung: eine Galerie des vollendet veredelten Spitzengeschmacks, ein Ort, an dem autistischer Narzissmus und ästhetische Tyrranei zu sich selbst finden, eine hübsche Hölle aus Brauntönen und Metall – unkommentiert. Ihre Katze springt nach der Kamera. Sie hat ein erdfarbenes Fell und stahlblaue Augen. Sie will hier raus. Li Edelkoort doziert, die Kamera hört zu: „Stahl und Holz, das nenne ich den Ethno-Techno.“

Wir nennen das die „Vollmeise“ und freuen uns, dass diese Reportage nicht etwa auf Cosmopolitan TV lief, sondern auf Arte. Es folgte nämlich eine Dokumentation über den Untergang des russischen Mittelstands zu Zeiten mafioser Markwirtschaft. Moderiert von einer schlecht gelaunten Russin in fliederfarbenem Schlabber-T-Shirt und Bermudashorts. Wir wären ihr fast um den Hals gefallen. ARNO FRANK

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