standbild: Von Neuberlinern für Neuberliner
„Auf eigene Gefahr“
(Di, 20.15 Uhr, ARD)
„Ich rieche jede Menge Geschichten“, sagt Anna Marx, als sie sich in der Hauptstadt einfindet. Im Berlin der Gegenwart riecht die Journalistin auch Hundekacke und kalte Buffets und nimmt übliche Handlungen von Neuzuzüglern vor: besichtigt und bezieht ein schniekes Büro im offensichtlich schnieken Zentrum. Stellt mit Mutterlächeln eine flippige Berliner Tippse aus der Notebook-Generation an. Lässt recherchieren.
Und hat mit einem Mann geschäkert, der ihr schon nicht mehr aus dem Kopf geht – so ist das in Berlin. ER ist Staatssekretär, über den die Zeitungen schreiben, wie ihr die Freundin verrät. Anna Marx hat in Bonn keine Zeitung gelesen und wird dem Unbekannten, wir ahnen es, wieder begegnen.
Zunächst aber kommt sie an ihre erste Geschichte, besser: die Geschichte kommt zu ihr. Nicht aus der Berliner Luft, sondern durch die Freundin: Organhandel ist’s, unlauter, menschenverachtend. Und Russenmafia. „Wir bleiben in Kontakt!“, warnt sie freundlich-resolut den suspekten Doktor aus dem Osten. Und einen dopingfütternden Ehrgeiz-Trainer: „Kleiner Warnschuss!“ Und: „Ich habe darüber schon einen Artikel geschrieben!“
Genau, sie ist ja Journalistin. So eine Art Sozial-Bulle mit detektivischen Qualitäten. Damit wird Thekla Carola Wied als gestandene Klatschreporterin großkalibrige Ganoven haschen, noch 12 Folgen lang. Dazu hebt sie ironisch die Augenbraue, schaut dunkel und saust im entscheidenden Moment in die richtige Tiefgarage.
Vielleicht gibt es demnächst aber noch mehr Hauptstadt als nur Grunewald, Gendarmenmarkt und das üble, leider übliche Dialekt-Imitat der Einheimischen. Sicher aber belanglose Geschichtchen, von Neuberlinern über Neuberliner für Neuberliner. Anna Marx zumindest schafft’s schon mal ohne eigenes Zutun auf die berüchtigten Berliner Party-Gästelisten. „Alle wichtjen People da!“ Schon praktisch, so als Bonner Journalistin im großen Berlin.
MARGRET STEFFEN
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