standbild: Koteletten zum Letzten
Alles wird teurer, auch Stefan Jürgens. Weil der SFB dessen Gagenforderungen nicht erfüllen wollte, hat man sich nach sechs abgedrehten Tatort-Folgen voneinander getrennt. Noch nicht einmal zu einer Ausstiegsfolge konnte man ihn überreden, nicht das allerkleinste Ableben vor der Kamera war auszuhandeln. Also gab Jürgens alias Robert Hellmann beim „letzten Rodeo“ am Sonntag das vorletzte Mal den Bullen neben Kollege Till Ritter (Dominic Raacke).
Allein: Wirkliche Trauer mag angesichts dieses Verlustes nicht aufkommen. Von der ersten Folge an wirkte Jürgens deplatziert und ein bisschen lustlos. Mit ewig schwarzen Rollkragenpullovern, diabolischer Oberlippenbart-Koteletten-Kombi und langen Mänteln umwehte ihn immer eher eine Ich-bin-Partner-in-einer-Multimediaagentur-Aura als Beamtenmief. Und kein Kommissar des Ersten schien weniger begeistert von den obligatorischen Würstchenbudenbesuchen. Andererseits: Wem würde die Lust nicht vergehen, angesichts eines Drehbuchs, in dem die Figuren sagen müssen: „Du zitterst ja. Ist dir kalt?“ (der Mörder zu seinem Opfer, kurz bevor es es über die Brüstung schubst). Oder: „Finden Sie die Täter. Und zwar bald. Ich erwarte Resultate.“ (die Staatsanwältin zu den beiden Kommissaren).
Den schönsten Text durfte Jürgens aber selbst sprechen: „Wie kommt eine Frau wie Sie denn zu so einem Typen wie Becher?“ (zu der Gattin des Schurken). Da half es dann auch nichts, dass immerhin das Thema des „letzten Rodeos“ nicht so penetrant auf „Großstadtmillieu“ gebürstet war wie in den letzten beiden Fällen, in denen sich Ritter und Hellmann mit „modernen Medien“ (Internet!) und „moderner Wirtschaft“ (Aktien!) auseinander setzen mussten. Diesmal waren es pikanterweise die Arbeitsbedingungen bei der Polizei das Thema, Selbstjustiz und Korpsgeist. Jetzt wird man sich also beim SFB die Köpfe darüber zerbrechen, wer denn der Nachfolger an der Seite von Raacke sein wird. Statt sich endlich um ein gutes Drehbuch zu kümmern.
ANNE ZUBER
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