standbild: Erotisches vom Wannenstöpsel
„37 Grad: Geld und Liebe“
(Di., 22.15 Uhr, ZDF)
Das ZDF will auch mal wieder. Einfach über Sex berichten und endlich nicht mehr bieder sein. Schon am Montag gab’s indische Erotikschwüle, einen Tag nach dem „Kama Sutra“ folgte Felicitas Weigman, 42. Der gehört ein Edelbordell in Berlin. Im „Psst“ dürfen die Frauen jeden Freier ablehnen, Drogen sind tabu und Zuhälter kein Thema. Sagt Felicitas. Ein Glas Wein kostet 8 Mark, Sex 200 und überhaupt scheint Prostitution ein richtig netter Beruf zu sein. Der Kommentar hält sich vornehm zurück, und so kann Felicitas weiterplaudern: Von ihrem Kampf um „Anerkennung“, von ihrem Etablissement als „sanfte Alternative“. Die Kamera ist bei alldem so ZDF-schüchtern, als würde sie eine Beerdigung filmen. Keine nackten Beine und Vorsicht bei den Dekolletés!
Und dann erfahren endlich alle, die’s noch nicht wissen, wie es in einem Edelbordell so aussieht: weiche Betten, Kitsch an den Wänden und im „Kulturzimmer“ sogar „Meyers Lexikon“. Glücklicherweise lernt der geneigte Zuschauer auch, dass es mit dem Badewannenstöpsel nicht so klappt. „Die Mädchen drehen da immer falsch.“ Das interessiert jetzt auch die Kamera, schon fokussiert sie die Stöpselanleitung am Beckenrand.
Und dann zieht sich Felicitas doch noch aus. Man spürt’s förmlich: Der Kameramann wird rot, die Einstellung krampfig: Zum Glück hört Felicitas bei der Unterwäsche auf. Schließlich ist sie zu Hause im Garten und will nur sonnenbaden.
Und plötzlich fällt dem Kommentator ein, dass er die letzte halbe Stunde so gut wie nichts gesagt hat. Also schießt er doch los, dass es im „Psst“ zwar menschlicher zugeht, Prostitution aber immer seelische Blessuren mit sich bringt und die Frauen nur mit einer gehörigen Portion Selbsttäuschung bei der Stange bleiben. Tatsächlich!
Und so geht es in „Geld und Liebe“ in etwa so aufregend zu wie „Hinter den Kulissen von Bayreuth“, beim Ring 2000, der gleich im Anschluss in „aspekte“ lief: Beim ZDF nichts Neues.
BJÖRN KERN
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