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Girlscamp (Fr., 20.15, Sat.1)

Es herrscht schlechte Stimmung. 50 Meter entfernt sitzen zehn Frauen auf dem Sofa, und die Journalisten müssen sich das von einem Nebengebäude aus im Fernsehen anschauen. Sat.1 hat zur Premiere von „Girlscamp“ nach Hamburg geladen, ins viel zu kleine, viel zu pinke Studio. Selbst für den Fotografen der Bild ist kein Platz, und so sitzen er und wir nebenan im Press Camp und maulen über das alkoholfreie Bier. Dem PR-Mann von Sat.1 ist das alles unangenehm, er schaut betreten und betont unablässig: „Nach der Show gehen wir rüber, dann ist noch genug Zeit für Fotos und Interviews.“ Mit Häppchen und Sekt versucht man die Presseschar gnädig zu stimmen.

Und es gibt T-Shirts, auf denen „Girlscamp“ draufsteht, Größe M. Die meisten Journalisten sind Männer: „Gibt’s die auch in XL?“ Gibt’s nicht. Kein guter Start in den Abend. Im Fernsehen erklärt Moderator Kena Amoa, der irgendwann mal Medienpädagogik studiert hat, gerade, was eine Baggerbox ist. 50 Journalisten blättern in ihren Pressemappen.

Dann die Girls: Julia kommt aus Hamburg, und „ihr großer Traum ist es, berühmt zu werden“. Das ist es also. Als sie noch sagt, dass sie „immer Sat.1 guckt“, grinst der PR-Mann im Press Camp ganz breit und guckt in die Runde. Keiner lacht mit. Nach der ersten Werbepause sagt im Fernsehen eine, dass „sie nichts mehr hasst als Öko-Tussen“, eine andere „Luxus ist herrlich“, und Birgit steht mehr auf die verruchten Typen. Birgit habe schon Erfahrung im Leben mit Kameras, erklärt Moderatorin Barbara Schöneberger, „sie hat mal eine Weile für eine Internet-Firma in einer Wohnung mit Kameras gelebt“. Schöneberger erspart dem Publikum Details.

Der Sat.1-Mann ist begeistert: „Die Barbara ist nett, nicht so aalglatt“, und dann ist die Show auch fast zu Ende. Es regnet in Strömen, die Claqueure, die vorm Eingang stehen und die zehn Kandidatinnen hysterisch feiern müssen, werden nass.

Die Frauen – vorzugsweise Mädels genannt, obwohl sie laut Konzept ja Girls sind – werden in eine Limousine gesteckt, um vom Flughafen direkt zur „traumhaften Kanaren-Insel“ El Hierro zu starten. Die Claqueure brechen pflichtgemäß in lustlosen Jubel aus, und die Limousine fährt gar nicht zum Flughafen, sondern nur einmal um den Block und dann zum Studio zurück. Da ist das Publikum inzwischen gegen die Presseleute ausgetauscht worden. Die dürfen erst mal ausgiebig Fotos von den zwei Moderatoren machen. Dann kommen die zehn Frauen im Girlscamp-T-Shirt. Die Fotografen balgen sich, der Sat.1-Mann findet es „Wahnsinn, die sind total meschugge“ und dirigiert die Frauen: „Zeigt es den Fotoleuten, bedient sie.“ Auch Bild bekommt jetzt, was sie braucht. Für Interviews ist danach leider kaum noch Zeit, Anita aus dem Sauerland muss noch in ein Rundfunkmikro sprechen: „Hallo, ich bin die Anita aus dem ,Girlscamp‘, und ich grüße alle aus dem HR3-Land“, dann drängt die Sat.1-Crew zur Eile. Kena Amoa sagt noch, dass er von dem Konzept „vom ersten Moment an begeistert“ war, und sieht nicht so aus, als ob er das wirklich glaubt. Und Sat.1-Unterhaltungschef Dirk Rosenzweig betont, „dass wir hiermit wirklich was ganz Neues machen“.

Dann ist Schluss, draußen regnet es immer noch, und in einer Pfütze liegt ein „Girlscamp“-T-Shirt, Größe M. PETER AHRENS

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