standbild: Männerträume
Abschnitt 40
(Do, 21.15 Uhr, RTL)
Die Polizei ist auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Dieser oft zitierte Satz soll wohl – mit gewissen Augenzwinkern – korrupte, sexistische und ausländerfeindliche Handlungen entschuldigen. Fortschrittliche Lehrkräfte in Polizeischulen haben eine andere Eigenwahrnehmung: Polizisten dürften nicht den Durchschnitt repräsentieren, weil sie als einzige Berufsgruppe ermächtigt sind, Gewalt gegen Bürger anzuwenden. Deshalb sollten Polizeianwärter sensibler und bedachter sein.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen knüpft an solch pädagogisches Gedankengut an, zeigt in Serien wie „Großstadtrevier“ fast ausnahmslos „gute Bullen“. Solche, die mitunter zu Selbsterkenntnissen fähig sind, ihren Job nicht einzig darin sehen, Ordnung und Gesetz zu hüten, sondern auch den Bürger – kriminell oder nicht – bisweilen zuhören. Mag sein, manchmal etwas übertrieben.
Der politisch korrekte Polizist ist ja, wie Umfragen belegen, eher die Ausnahme. RTL steuerte mit Uwe Wittes „Abschnitt 40“ nach dem Drehbuch von Christoph Darnstädt gegen. Das sah dann so aus: Freut sich der Polizist, steigt er in den Streifenwagen und brüllt euphorisch: „Alle verhaften, alle verhaften.“ Ohne besonderen Anlass, versteht sich. Auch der Grund zur Freude ist trendy. Peter ist Vater geworden. Was will uns das sagen? Jawohl, er hat eine gute deutsche Frau. Sie hat der deutschen Nation gerade Nachwuchs geschenkt.
Doch da gibt es diesen Russenmafioso, der nicht nur auf dem Babystrich junge Frauen misshandelt. Nein, er erschießt auch noch deutsche Familienväter. Logisch, dass Polizisten wütend werden müssen. Keine Frage, man hält in traditionellem Corpsgeist zusammen. Solange der inhaftierte Russe nur ein wenig Dresche bezieht, scheint dies – so die Moral des Films – ganz in Ordnung. Umbringen hätte man ihn dann doch nicht müssen. Kolleginnen müssen sich bei „Abschnitt 40“ warm anziehen. Hier sind keine Softies unterwegs, sondern stramme deutsche Männer – mit gelegentlichen Potenzschwierigkeiten. Letzteres missfällt den Kolleginnen besonders. Im RTL-Polizeifilm wurden Männerträume wahr. Oder zumindest das, was Fernsehmacher dafür halten. GITTA DÜPERTHAL
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