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standbildErinnerung im Dauerlauf

„Orte des Erinnerns: Bautzen“

(Sa., 21.00 Uhr, SWR)

Kaum ein anderer Haftort der DDR symbolisiert die Verfolgung politischer Gegner, die Willkürjustiz und die unmenschlichen Haftbedingungen so eindringlich wie „Bautzen“. Der Name der sächsischen Mittelstadt steht nicht nur im öffentlichen Bewusstsein synonym für Repressionen der SED-Diktatur, sondern auch für das Unrecht, das während des Dritten Reiches und der sowjetischen Besatzungszeit verübt wurde.

Grund genug für den Südwestrundfunk, die neue Geschichtsreihe „Orte des Erinnerns“ mit dem Gefängnis in Bautzen zu eröffnen. Doch die Doku von Sabine Mieder scheitert leider an der fast 100-jährigen Geschichte der Haftanstalt und dem engen Zeitrahmen von 45 Minuten.

Im Schnelldurchlauf wird die Geschichte von Bautzen nachgezeichnet. Von der Haftanstalt für politische Gegner im NS-Regime über das sowjetische Speziallager für Kriegsverbrecher, hochrangige NDSAP-Mitglieder und später auch für zahlreiche Sozialdemokraten sowie Gegner des stalinistischen Systems – bis hin zu Bautzen II, das zwischen 1956 und 1989 als Sonderstrafvollzugsanstalt für „Staatsfeinde“ der DDR diente, lässt der Film keinen Zeitabschnitt aus. Wo andere Dokumentarfilme sich detailliert mit den einzelnen historischen Abschnitten und Schicksalen auseinander setzen, bleibt der Film an der Oberfläche stecken.

Auch dem selbst formulierten Anspruch, „nicht nur die unmenschlichen Haftbedingungen, sondern auch die Wege, die nach Bautzen führten“, zu schildern, wird der Film nicht gerecht. Dem Zuschauer bleibt keine Zeit, tiefer in die individuellen Schicksale der Zeitzeugen, die eigentlich jeder für sich genommen mindestens eine 45-minütige Dokumentation verdient hätten, einzutauchen.

Zwar werden die bedrückenden Haftbedingungen angerissen, aber sie bleiben angesichts des Zeitdrucks, dem der Film unübersehbar unterliegt, für den Zuschauer kaum nachvollziehbar. Zwei Jahre Isolation und Einzelhaft können nicht in zwei Minuten wiedergegeben werden. MAC

(Literaturhinweis: Karl Wilhelm Fricke/Silke Klewin: „Bautzen II – Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle 1956-1989“, Leipzig 2001)

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